In meinem nach wie vor beharrlichen Versuch in diesem unserem schönen Fußballland Werbung für die Sportart Rugby zu machen, erzähle ich euch heute von einem Trip, den ich mit Freund Volker Anfang Februar gemacht habe.
Freitag Abend in Cardiff, Auftaktspiel zur Six Nations 2011, Wales gegen England! Das ist ein Kracher, aus ganz verschiedenen Gründen. Im Rugby gibt es zwar auch alle 4 Jahre eine Weltmeisterschaft und diese ist auch in dieser Sportart das bedeutendste Turnier, aber jedes Jahr spielen die Nationalteams der nördlichen und südlichen Hemisphäre nur 2 wirklich wichtige Veranstaltungen: Auf der Südhalbkugel die Tri Nations, auf der Nordhalbkugel die Six Nations. “Die Teams” stimmt in dem Fall allerdings auch nicht, denn es spielen immer die selben 6 Teams die Six Nations. Das sind England, Wales, Irland, Schottland, Frankreich und Italien. Es sind nur 6 Mannschaften, weil nach den genannten Teams das Niveau in Europa schon ziemlich deutlich abfällt. – Ok, eigentlich ist schon Italien viel zu schlecht für diesen Wettbewerb, aber wer verprügelt nicht gerne 1x im Jahr die Italiener? 😉 Das scheint irgendwie ein Sportarten übergreifendes Phänomen zu sein… Ich habe es jedenfalls direkt kapiert und finde es logischerweise lustig.
Die Six Nations ist also ein wirklich wichtiges Turnier, gleichzeitig auch immer der Maßstab welche Mannschaft aktuell das beste Team Europas ist. Da die meisten der angeführten Nationalteams doch sehr ausgeglichen sind (ausser Italien…), ist es auch vor Beginn immer sehr offen und es gewinnt selten ein Team mehrere Jahre in Folge den Wettbewerb. Die Six Nations geht immer über einen Zeitraum von ca. 6-7 Wochen und findet im Ligamodus statt. D.h. die Mannschaft, die nach 5 Spielen die meistens Punkte hat, gewinnt das Turnier. Umgedreht bedeutet das auch: Jedes einzelne der 5 Spiele ist bedeutend, jeder Auswärtssieg zählt gefühlt doppelt!
Ich hab ja schon einige Rugbyspiele gesehen, liebe die Sportart auch wirklich sehr, aber ich war noch nie bei der Six Nations. Das versprach also mal ein neues Erlebnis zu werden. Um das ganze noch etwas attraktiver zu machen, ging es bei diesem Spiel auch noch um das Auftaktspiel des Turniers und entgegen der normalen Ansetzung fand es dann auch nicht am Samstag oder Sonntag Nachmittag, sondern Freitag Abend statt! Toll, Flutlicht!
Das war also mal die sportliche Ausgangslage. Na ja und dann ist es halt immer noch Wales gegen England. 😉 Die Schotten und speziell die Waliser haben schon eine gewisse Rivalität mit den Engländern am Start. Sowas ist ja immer gut für die Atmopshäre und getreu meinem Motto Sportarten vom Topevent abwärts zu begegnen, war es eindeutig das Spiel der Wahl! Mal ganz abgesehen davon, dass Rugby in Cardiff, in der riesigen Hütte der Waliser insgesamt ein Erlebnis ist. – und ich mag Cardiff nun mal auch echt gerne!
Volker und ich hatten das Spiel dementsprechend auch schon seit Bekanntgabe des Spielplans auf der Uhr. – Also seit Anfang 2010! Die Ticketfrage habe ich im Vorfeld für schwierig, aber durchaus machbar eingeschätzt und so haben wir munter Flüge gebucht und ein Hotel reserviert. Hotel oder Hostel muss man in Cardiff bei diesen Rugbyveranstaltungen zügig und sehr frühzeitig am Start haben, denn die Stadt ist dann immer super voll, was sich extrem negativ auf die Preise auswirkt. Und man möchte ja auch gerne zur Fuß in die City kommen.
Tja und dann mussten wir irgendwann feststellen, dass die Ticketfrage doch ein Problem wird…. Das Event rückte näher und es gab weder einen Freiverkauf, noch einen Mitgliederverkauf, noch eine Verlosung, noch eine Ankündigung, dass dieser lustige (aber komplett unprofessionelle…) walisische Rugbyverband damit überhaupt noch mal starten möchte! Neujahr, 2011, der Januar läuft so vor sich hin und wir haben immer noch keine Tickets. Dafür war Viagogo voll davon, allerdings zu unverschämten Konditionen. Na ja, wir dachten: Geduld, die Preise werden da schon noch fallen. Wer zuerst zuckt hat verloren.
Zwei Wochen vorm Spiel bin ich dann aber doch ziemlich unruhig geworden. Und als diese Waliser auch auf meine seit langer Zeit beste Bettelmail – mir kamen beim Lesen fast selbst die Tränen – noch nicht mal reagiert haben, da war ich sogar ernsthaft besorgt. Wir waren tatsächlich kurz davor den Trip abzublasen, da Schwarzmarkt vor Ort den zentralen Nachteil hat, dass man dann auch reingeht, egal wie die Preise am Ende so sind. Glücklicherweise weckt so eine Situation speziell in Ticketfragen aber meinen tiefsten Ehrgeiz. “Wir kommen überall rein, wo wir rein wollen” ist absolut mein Mantra wenn es um Tickets geht. Also war das gute alte Oliver Kahn Motto “Niemals aufgeben!” die Vorgabe. Verschiedene Dinge probiert, aber alles ohne Erfolg. Echter Dreck also!
4 Tage vor dem Spiel ging dann aber in Form einer Mail des Verbandes ein kleines Licht an: Sie hätten einige wenige Tickets über und wer schnell ist…. Um aber am Ende nicht doch noch den Anschein zu erwecken professionell zu sein, hatten sie die Weltidee das ganze per Telefon abzuwickeln. :))) Wahnsinn diese Waliser!!! Man darf sich da vermutlich getrost 4 Mitarbeiter an einer Telefonline vorstellen. Ich also da in Wales angerufen, natürlich besetzt. Nix Warteschleife, nein man konnte auf einen Anrufbeantworter sprechen. 😉 War wohl ihre Standardnummer. Ich habe kurz überlegt, habe aber mal messerscharf kombiniert, dass sie wohl nicht die Not zurückrufen zu müssen haben würden.
Man hat dann bei Tickets in so einer Lage 2 Möglichkeiten: Entweder man gibt relativ schnell auf und legt auf, oder man gibt nicht auf und drückt Wahlwiederholung bis man einen dieser Menschen erreicht hat. Ich gebe wie gesagt nicht auf. Also habe ich eine gute Stunde immer wieder wie bescheuert auf meiner Wahlwiederholung rumgedrückt. Da fragt man sich hier und da durchaus mal, ob man noch ganz dicht ist. – Aber am Ende des Tages habe ich so eine sehr nette walisische Maus mit einem fürchterlichen Akzent (da waren wir also schon zwei in dieser Leitung) erreicht und hatte 2 Tickets! Ein TOTALES TSCHAKKA Gefühl war das! :))
Wir sind also Freitag dementsprechend euphorisiert in den Flieger nach London gestiegen. Ich habe mich total auf das Spiel gefreut! Je mehr man auf sich nimmt, um was zu erleben, desto größer die Vorfreude. In London zügig in den Mietwagen gestiegen, um dann ganz entspannt Richtung Cardiff zu schüsseln. Man hört dabei schon den ganzen Nachmittag im Radio wie sie über das Spiel reden und wie wichtig es alle nehmen. Bis auf ein wenig Stau ist das alles sehr fein gelaufen, wobei ich linksfahren auch sehr unproblematisch finde.
Das Grandiose an Cardiff ist ja, wie schon nach meinem letzten Besuch im November erwähnt: Das Stadion ist direkt neben den Pubs mitten in der Innenstadt, bzw. sie haben die Stadt um das Stadion gebaut. 😉 Perfekt. Zudem ist die ganze Stadt an solchen Tagen halt voller Fans. Volker war noch nie in Cardiff, also sind wir zunächst ein bisschen rumgelaufen, haben uns umgeschaut und sind dann aber auch zeitig in einem Pub gelandet.
Die Stadt hat einfach eine ganz tolle Atmosphäre an Rugbyspieltagen. Der eine oder andere war ja vielleicht bei einem Fußballländerspiel schon mal dort, aber ich kann wirklich sagen: Das ist beim Rugby in Wales noch mal was anderes. Rugby ist ihr Spiel, die Waliser sind da mit dem ganzen Herzen dabei.
Irgendwann so ca. 20 Minuten vor Anpfiff sind wir dann aus dem Pub gestolpert und über die Straße ins Milleniumstadion gegangen. Das geht alles ausgesprochen zügig, weil es einfach auch kaum Kontrollen an den Eingängen gibt. Alles sehr angenehm, sehr entspannt.
Wir hatten aus meiner Sicht perfekte Plätze für Rugby! Schräg hinter den Posts in einer gewissen Höhe ist optimal, weil man dann am besten sehen kann wie die Mannschaften in Angriff und Verteidigung die Linien verschieben. Ausserdem ist es insgesamt leichter das Spiel zu verstehen. Solltet ihr also mal in die Verlegenheit kommen ein Rugbyspiel zu schauen: Hinter dem Tor ist beim Rugby kein schlechter Platz.
Ich war dann doch sehr gespannt, wie die Stimmung im Stadion und wie der Anteil der Engländer so sein würde. Es sei so viel gesagt: Es waren beeindruckend viele Engländer vor Ort! Das erste mal hat man das bei der englischen Nationalhymne bemerkt. Sehr, sehr laut, wenn man bedenkt, dass es beim Rugby keine festen Fanblöcke oder Fankurven gibt. Aber die singen halt alle mit. Die Fans der Dragons haben dem aber auch in nichts nachgestanden. Ich hätte da mal ein kurzes Video:
Ganz geil wie ich finde.
Neben der ganzen Atmosphäre war ich eigentlich noch neugieriger auf das Niveau des Spiels. Ich habe wie gesagt bisher die ganzen europäischen Teams nur gegen meine Mannschaft, die New Zealand All Blacks gesehen, aber noch nie untereinander. Ich muss sagen: Das war eine ganz spannendes Erlebnis, denn es gibt einen wirklich großen Unterschied zwischen den Spielen gegen Neuseeland und denen gegen andere europäische Teams. Das zentrale Stichwort ist hier Selbstbewusst. Und zwar sowohl auf Seite der Spieler, als auch auf Seite der Fans! Inwiefern fragt ihr euch vielleicht? Gegen die All Blacks rechen sie sich nicht viel aus. Wenn es gut läuft können sie die Neuseeländer an den Rand einer Niederlage pushen, aber sie haben die All Blacks halt noch nie geschlagen. Im November waren sie wirklich dicht dran, aber am Ende haben sich die Kiwis mit 2 individuellen Klasseaktionen dann doch durchgesetzt. Gegen England oder Irland ist das anders, wirklich ganz anders. Wales hat die letzten 3 im Milleniumstadium gegen England gewonnen und entsprechend selbstbewusst sind sie in das Spiel gegangen.
Die Partie war in diesem Jahr noch von einer besonderen Bedeutung, denn im Oktober ist Rugby World Cup in New Zealand und alle Teams versuchen zu schauen wo sie im Weltmeisterschaftsjahr stehen. Die Engländer sind nach ein paar sehr schwachen Jahren definitiv auf dem Weg nach oben. Junges, hungriges Team, die werden im Oktober ein Wörtchen um den Titel mitsprechen. Ich freu mich drauf.
Das Spiel ging jedenfalls sehr munter los. Die Regelauslegung im Rugby hat sich im letzten Jahr verändert und dadurch sind inzwischen eigentlich alle Mannschaften gezwungen Angriffsrugby zu spielen. Ich habe nie vorher so viele tolle Spiele gesehen, wie in den letzten 12 Monaten. Das Spiel ist sehr schnell geworden, aggressiv geblieben und man muss attackieren, wenn man gewinnen will. Das ist für Fans großartig. Selbst Mannschaften wie die Engländer haben das inzwischen kapiert und ihr Spiel angepasst.
Wir hatten also das große Glück ein hervorragendes, enges Rugbyspiel live sehen zu können! Sehr hohes Niveau und vor allem große Aggressivität auf dem Platz. Wir waren natürlich für Wales, versteht sich. Von allen europäischen Teams mag ich Wales am liebsten. Es ging hin und her, aber man musste neidlos die Stärke der Engländer anerkennen. Die waren an dem Abend wirklich gut unterwegs und selbst als Wales in der zweiten Hälfte auf wenige Punkte dran war und die Zuschauer voll gepusht haben, sind sie unter dem Druck nicht zusammengebrochen. Letztendlich haben sie das Spiel dann auch verdient gewonnen.
Das hat am Ende des Tages der Stimmung im Pub aber nicht nachhaltig geschadet, wie wir feststellen durften.
Abschließend möchte ich, auch auf die Gefahr mich zu wiederholen, sagen, dass Wales und Cardiff absolut eine Reise wert sind! Die Stadt macht viel Spaß, es gibt im Umland viel zu sehen und Wales hat nebenbei auch noch ein paar traumhaft schöne Nationalparks! Wer neugierig ist, kann ja mal Brecon Beacon oder Snowdonia googeln.
Zusammenfassend war das ein wirklich toller Trip! Wir hatten so viel Spaß und ich kann mit großer Sicherheit sagen: Das war unter Garantie nicht mein letztes Six Nations Match! – Lustigerweise weiß ich auch schon welches das nächste sein wird: 2012, Schottland-England im Murrayfield in Edinburgh! 😉
Wer mit will, meldet sich einfach bei Gelegenheit. 😉
February 20th, 2011 at 11:44 am
“Wer mit will, meldet sich einfach bei Gelegenheit”
–> ich habe mich hiermit gemeldet 😉
Toll war’s. Das Stadion ist eines der schönsten die ich je gesehen habe. Und Rugby als Spiel gefällt mir auch. Ohne Jörn hätte ich aber ziemlich wenig vom Spiel verstanden. Als Laie ist es manchmal doch ein wenig undurchsichtig, wer jetzt warum den Ball zugesprochen bekommen hat 😉
Cardiff als Stadt hat mir sehr gut gefallen. Erstaunlich modern im Zentrum mit einem guten Mix aus alten und neuen Gebäuden (also keine verfallene alte Arbeiterstadt). Und wer auf Hundertschaften von sechsenjährigen steht, die bei Wetter um den Gefrierpunkt mit quasi nix an durch die Stadt laufen –> Cardiff ist eure Wahl 😉
February 20th, 2011 at 11:58 am
Auch noch erstaunlich: ich habe vor/während/nach dem Spiel keine Polizei gesehen. Man hat schon deutlich die Rivalität in der Stadt gespürt aber irgendwie scheinen sich die Rugby-Fans benehmen zu können.
@Jörn:
wie hieß eigentlich nochmal dieses großartige Nudelrestaurant in dem wir am Samstag in Cardiff essen waren? Ich schwärme immer noch von dem Essen…
February 20th, 2011 at 1:15 pm
@Volker: Das Restaurant heisst Wagamama. Sehr grandios, muss ich auch sagen. Die gibt es in Deutschland aber leider noch nicht, aber in London können wir da mal wieder hingehen!
Eines ist z.B. direkt an der Liverpoolstreet. 😉
February 23rd, 2011 at 12:20 am
[…] Unglaublich! Nachdem ich die ursprüngliche Partie schon verpasst hatte, weil ich da ja mit Volker in Cardiff beim Rugby war, musste ich das Match am Mittwoch leider aus beruflichen Gründen streichen. Ist man einmal nicht […]
July 23rd, 2012 at 10:20 pm
ja, ich melde mich auch mal. Und zwar , wenn du fahren solltest in 2013 für ein Spiel der Six Nations. Fahre jetzt erst mal zu England – Fiji und einen Tag später Schottland gegen dieAll Blacks. Für die restlichen All Blacks Spiele im November stehe ich auf der Reservierungsliste in Neuseeland. Mal sehen, onb es klappt. Gruss Horst
July 24th, 2012 at 12:48 am
Danke für die netten Kommentare! freut mich sehr!
Ich bin mir dieses Jahr noch nicht sicher, möchte aber unbedingt nach Cardiff zum Spiel gegen die All Blacks. Das steht dieses Jahr ganz oben auf der Liste, weil Wales gut sein wird.
Twickenham lass ich dieses Mal vermutlich, aber die Six Nations finde ich auch reizvoll!