Wie in den 70ern! DFB Pokal Halbfinale Borussia Mönchengladbach v FC Bayern München 2:4
Bayern München, DFB Pokal, Fußball Add commentsAlso natürlich kann ich überhaupt nicht beurteilen, ob das am Mittwoch wie in den 70ern gewesen ist, da ich den Anfang des Jahrzehnts nicht erlebt und in der Mitte der Dekade ein eher inkontinenter Mitbewohner war. Fußball habe ich in der Zeit doch nur ausgesprochen passiv verfolgt, muss ich selbstkritisch gestehen.
Dennoch stelle ich mir die Duelle zwischen den beiden großen Mannschaften der 70er Jahre irgendwie ein bisschen so vor, wie das DFB Pokalhalbfinale letzten Mittwoch im Borussia Park zu Mönchengladbach: ein ganz enges Spiel auf Augenhöhe, mit zwei Mannschaften, die Fußball offensiv betreiben und auf den Torerfolg aus sind!
Die Ausgangslage war in Jahren nicht so, wie vor diesem KO Spiel, denn die Borussia (die wahre, wie deren Fans gerne festhalten…) aus Mönchengladbach spielt eine wirklich überragende Saison! Gerade vor dem Hintergrund des Fastabstiegs in der letzten Saison eine gleichermaßen überraschende wie auch bemerkenswerte Entwicklung. Hinzu kommt, dass sie beide Saisonspiele gegen Bayern München mindestens ebenso überraschend wie aber auch verdient gewonnen haben. Da war also Feuer in der Ansetzung und als Bayernfan kann ich sagen, dass ich schon ausgesprochen nervös nach Gladbach gefahren bin.
Auf der anderen Seite bin ich aber auch fest davon ausgegangen, dass wir nicht noch ein drittes Mal in einer Saison gegen die verlieren können. Das durfte einfach nicht passieren, koste es was es will!
Direkt nach der Auslosung war relativ schnell klar, wie nachgefragt die Tickets für dieses Spiel sein würden. Erschwerend kam hinzu, dass ich bei Bayernspielen es mir abgewöhnt habe, auswärts irgendwo zu sitzen, wo man sich mitten in den Heimfans befindet. Das bringt mir dann nichts, weil ich mich einfach zu stark unter Kontrolle haben muss. Ich kann bei Bayernspielen ein ziemliches Rumpelstilzchen sein (selbstkritisch) und ich glaube es ist einfach auch gar nicht gesund das alles in sich reinzufressen. Hinzu kommt natürlich erschwerend, dass man als Anhänger von Bayern München auswärts im Normalfall nicht sonderlich beliebt ist. Auch ein guter Grund sich besser im Bereich des Auswartsblocks aufzuhalten. Da der jedoch viel kleiner ist, wird die Ticketfrage oft schwerer, aber man kann halt auch nicht immer alles haben.
In diesem Fall war es eine ganz lustige kleine Anekdote, die ich euch nicht vorenthalten möchte: ich habe von Bayern eine Absage auf meine Mitgliederbestellung bekommen. Das war zwar wenig überraschend, aber trotzdem eine Enttäuschung. Wie ich so also auf der Suche nach einem Ticket war, schreibt mir meine Frau ein paar Tage nach dieser Absage eine lustige, völlig entspannte Mail mit einem ganz beiläufigen Satz: “du, da ist so ne Ticket-Mail von Bayern gekommen. Was ist denn das schon wieder?? Hab ich ganz vergessen dir zu erzählen.” ich sitze also gelähmt und relativ ungläubig starrend vor dem Computermonitor und denke nur: unglaublich!
Hat sie also tatsächlich eine Zusage von Bayern München für das Pokalhalbfinale bekommen und fast vergessen mir das zu erzählen!
Schlagartig war also mein Ticketprobleme gelöst.
Am Mittwoch dann entspannt quer durch den Pott nach Mönchengladbach gefahren, was sich tatsächlich eine halbe Ewigkeit hinzieht. Ich bewundere hier vor allem meinen Freund Olli, der sich diese Tour in ziemlicher Regelmäßigkeit gibt. Wahnsinn, wie viel Zeit man noch von Dortmund nach Gladbach braucht. Wer mal Bock auf viele schlechte Autobahnen mit viel zu vielen Autos hat, sollte einfach mal in die Gegend fahren. Da gibt es riesig Auswahl. Immerhin habe ich es geschafft auf der Hinfahrt nicht geblitzt zu werden, eine Leistung, die ich auf der Rückfahrt leider nicht wiederholen konnte. Egal.
Der neue Borussiapark ist ja ein Stück außerhalb Mönchengladbachs, direkt an der Autobahn, auf der ziemlich freien Wiese. Schönes Stadion, drumherum halt eher wenig, aber das haben ja leider viele dieser neuen Arenen als negative Begleiterscheinung.
Ich bin ein bisschen ums Stadion gegangen um die Atmosphäre aufzusaugen und wenn man den Gladbachfans so beiläufig zugehört hat, wurde klar, dass die schon große Hoffnungen und auch Erwartungen mit dem Spiel verbinden. Wie immer wenn Fußballfans auf einem Haufen zusammen sind, ergibt sich fast automatisch auch die Chance Zeuge literarisch wertvoller Dialoge zu werden. Heute möchte ich euch zwei Gladbachfans, die in der Schlange zur Getränkebude hinter mir standen, nicht vorenthalten. Das Thema war Auswärtsfahrten. 😉 Ich übertreibe übrigens nicht.
Altes Fohlen: Sach ma, fährste noch auswärts?
Junges Fohlen: ne, aber ich hol mir jetzt Auswärtsdauerkarte. Will nächstes Jahr mehr Spiele machen.
Altes Fohlen: Ist dat nicht sehr aufwändig?
Junges Fohlen: ne dat geht, die meisten Mannschaften sind ja eh im Pott.
Altes Fohlen: Stimmt. – Bis auf die im Norden und im Süden.
Junges Fohlen: …und Hertha Berlin.
Altes Fohlen: Kaiserslautern ist auch ziemlich weit weg….
Junges Fohlen: klar, aber alle anderen sind im Pott.
Altes Fohlen: stimmt da bleibt nicht viel, sind schon die meisten im Pott. ( der Autor meint: genau 5 von 17 sind im Rheinland/Pott, nicht direkt alle…)
Junges Fohlen: kurze Wege, das wäre mir sonst auch alles zu aufwändig.
Wie gesagt, keine Übertreibung. 😉
Wir haben uns dann schön auf der Raute mit ein paar Freunden aus dem Forum getroffen. Die Raute, bestehend aus vielen einzelnen Steinen, die Gladbachfans erworben haben, um im Gegenzug dann ihren Namen in den Stein vor dem Stadion gemeisselt zu bekommen. Das ist ein bisschen so wie damals die Ausgabe der BVB Aktie, da nur ohne Namen und Stein. 😉
Ich war zuerst skeptisch, ob so ein Treffen vor so einem für beide Seiten wichtigen Spiel eine gute Idee wäre, aber ich hatte auch einfach große Lust die Jungs aus dem Gladbacher Umfeld zu sehen. Es war dann auch ganz entspannt und einfach sehr schön, wie eigentlich immer wenn wir uns treffen. Die Nervosität war aber dennoch bei allen durchaus spürbar und in diesem Fall zur Abwechslung auch bei den Bayernfans.
Rein ins Stadion, in den Gästeblock. Ich hatte einen Sitzplatz, aber in Gladbach ist es glücklicherweise so, dass es im Oberrang hinter der letzten Reihe noch so eine Art Gang gibt. Ich habe es also auf Rücksicht auf die Leute neben meinem ursprünglichen Platz vorgezogen, das Spiel lieber dort stehend anzuschauen. Ich glaube das fanden wir alle großartig! Ich weil ich dadurch Bewegungsfreiheit hatte und die anderen vermutlich, weil sie sich dadurch mein Gepöbelt nicht anhören mussten. Wie gesagt, Rumpelstilzchen. 😉
Vor dem Spiel hatte ich eigentlich ein gutes Gefühl, was die Chancen von Bayern München anging. Ich hatte die Hoffnung, Gladbach würde nicht noch mal so eine Leistung wie in der Bundesliga abrufen können, zumal die letzten Spiele der Bayern ja endlich mal wieder zum Träumen berechtigt hatten. Ein frühes Tor, dann müsste es doch eigentlich laufen. Dachte ich…
Nun, das wäre vielleicht auch so gewesen, wenn das frühe Tor denn tatsächlich gefallen wäre. Ist es aber nicht. Bayern hatte zwar durchaus Chancen eine frühe Bude zu machen, scheiterte aber entweder am Pfosten, am glänzend parierenden Keeper oder am eigenen Unvermögen. Gleichzeitig war es aber auch keineswegs so, dass Gladbach nur auf dieses Gegentor gewartet hätte, sondern sie hatten ganz im Gegenteil in der ersten Hälfte auch einige gute Chancen. Diese Mannschaft ist aus meiner Sicht im taktischen Defensivverhalten das Beste was es aktuell in der Bundesliga gibt! Das ist unglaublich wie perfekt und diszipliniert die als gesamte Mannschaft defensiv verschieben, Positionstreue an den Tag legen und die Räume eng machen! Das war von der Tribüne oben noch besser zu sehen, als am Bildschirm und nötigt mir Respekt ab. Sie kontern wahnsinnig schnell bei Ballbesitz und das ist dann wiederum für eine hoch stehende Mannschaft wie Bayern München, mit viel Ballbesitz und einem hohen Spielanteil in der gegnerischen Hälfte eine ständige Gefahr. Leider keine Spur von Verunsicherung oder Zögern aufgrund des Drucks, den Bayern von Beginn an erzeugt hat.
So entwickelte sich ein wirklich sehr gutes Fußballspiel. Beide Mannschaften auf Augenhöhe und spätesten so nach 20 Minuten wurde mir klar, dass wir einerseits vermutlich Zeuge einer ganz engen Kiste werden wurden und andererseits, dass wir dieses Spiel tatsächlich verlieren könnten!
Immerhin Manuel Neuer fiel in diesem Spiel erfreulicherweise mal nicht durch Torvorlagen zum Gegner, sondern von Beginn an durch gute Paraden auf. Ein Lichtblick, wir würden ihn noch brauchen.
0:0 zur Pause, durchatmen. In der zweiten Hälfte setzte sich das Bild aus Durchgang 1 im Prinzip so weiter fort: Bayern München mit mehr Ballbesitz, mehr Spielanteilen, aber gute Chancen auf beiden Seiten. Und als sich das ganze Stadion schon auf eine Verlängerung eingestellt hatte, vergab Marco Reus ein paar Minuten vor Schluss die allergrößte Chance von allen. Er kam bei einem dieser blitzschnellen Konter auf vollem Lauf frei vor Manuel Neuer zum Schuss, aber Neuer sollte es noch irgendwo im Bayernfanlager Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Neuerverpflichtung gegeben haben, hat er sie in diesem Spiel und ganz besonders in diesem Moment beerdigt. Er hat mit einer Weltklasseparade den Ball gehalten und Bayern München das 0:0 gerettet.Beim Pass zu Reus ist mir tatsächlich fast das Herz stehen geblieben. Uff, knapp.
In der Verlängerung spielte dann nur noch der FC Bayern. Mönchengladbach wirkte, vor allem ab Durchgang 2 der Verlängerung, sehr, sehr müde und stand da schon tief hinten drin. Sie wehrten mit Glück und Geschick aber jede Angriffwelle der Bayern ab, so dass es auch nach 120 Minuten 0:0 stand. Da ja nun nicht beide zum Pokalfinale nach Berlin können, musste also das Lieblingsspiel der Engländer die Entscheidung bringen: Elfmeterschiessen.
Ich hatte da eigentlich ein ganz gutes Gefühl, einfach weil anfangen durften (ein nicht zu unterschätzender Vorteil im Elferschiessen), auf die Bayernkurve geschossen wurde und natürlich weil wir Manuel Neuer im Tor haben! Ich war der Meinung, dass die Bayernspieler erfahrener sein müssten und der Keeper vermutlich im Tor aufgrund seiner Körpergröße auch etwas imposanter als ter Stegen auf Gladbacherseite. Tja und als ich mir noch so mit diesem Erfahrungsargument Mut einredete, ging der 19 jährige David Alaba als erster Schütze für Bayern zum Punkt. 😉 Großartig, da war diese Ruhe aber mit einem Ruck weggewischt und ich ein Nervenbündel.
Alaba traf allerdings ganz cool und auch die nächsten 3 Schützen konnten verwandeln. Es stand also 2:2 und dann schrieb der Fußball mal wieder eine dieser besonderen Geschichten, die auch nur der Fußball schreibt. Dante, der starke Innenverteidiger der Gladbacher ging zum Punkt, nahm Maß und schoss den Ball links oben übers Tor bis auf die A61! Das ist von daher eine besondere Geschichte, weil er vermutlich zu Bayern wechselt und es einem anderen Gladbacherspieler in ähnlicher Situation schon mal passiert ist: Lothar Matthäus im Pokalfinale 1984.
Großer Jubel im Bayernblock und nachdem Toni Kroos traf, lag der Druck jetzt dann natürlich komplett beim letzten Schützen der Borussia. Dem war dieser nicht gewachsen, Neuer hielt und Bayern München hatte eine weitere Reise zum Pokalfinale nach Berlin gebucht.
Eine riesige Erleichterung und große Freude im Block, aber auch die Mannschaft wirkte so, als wenn sie dieses Finale unbedingt erreichen wollte! Insgesamt gefällt mir diese wiedergewonnene Geschlossenheit in der Truppe schon sehr. Die fighten wieder füreinander und legen das notwendige Maß an Laufbereitschaft und Einsatz in die Waagschale ohne das man nicht erfolgreich Fußball spielen kann. Ich hoffe es bleibt noch eine Weile so, denn ab jetzt gibt es nur noch Endspiele!
Über all dies hatte ich dann auf dem Parkplatz noch ausführlich Zeit nachzudenken, denn obwohl das Stadion direkt an der Autobahn liegt, ist die Organisation bzw. das Ableiten der Autos auf die Autobahn eine mittelschwere Katastrophe. Selbst mitten in der Nacht unter der Woche, kann man es sich da offensichtlich noch mal entspannt ne Stunde auf dem Parkplatz gemütlich machen. Ist mir etwas rätselhaft, warum das so sein muss, wenn man ein Stadion komplett neu plant und baut, aber nun gut.
Irgendwann konnte ich dann auch mal losfahren und nach nur wenigen Stunden Fahrt war ich auch um halb fünf schon wieder Zuhause. Gerade noch rechtzeitig, damit ich auch munter ins Büro gehen konnte. Ganz ehrlich, das wäre mit einer Niederlage alles auch eher nicht so einfach zu ertragen gewesen, aber mit dem nötigen Maß an Freude und Adrenalin geht ja vieles besser. 😉 Auch hier würde ich wieder sagen: Es war den Aufwand absolut wert, ein toller Pokalabend!
Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin! – aber erst mal ist noch Champions League. 😉
March 29th, 2012 at 9:13 pm
Schöner Bericht von einem unterm Strich leider furchtbaren Abend.