Die Rückspiele! UEFA Champions League Real Madrid v BVB Borussia Dortmund 2:0
Champions League, Fußball Add commentsIrgendwann im April saß ich recht harmlos mit Freund Bernd in der OFeuer Bar in Hamburg bei lecker Bier mit kurzweiligen Champions League Viertelfinals und sagte so im Spaß: “Wenn Dortmund und Bayern ins Halbfinale kommen, spielen die beide gegen die Spanier und wir machen dann bei Rückspiele hintereinander in Spanien.” Alleine bei der Vorstellung eines solchen recht bescheuerten Trips mussten wir beide direkt irre lachen, aber wirklich daran geglaubt haben wir selbstverständlich nicht.
Nun entgeht dem Fußballgott aber offensichtlich rein gar nichts und kaum versieht man sich, losen sie in der Schweiz genau diese Konstellation für das Halbfinale der UEFA Champions League aus! – ok, oder der Platini hat im Hintergrund alternativ mal wieder heimlich mit dem Bunsenbrenner die Kugeln so glühend heiss gemacht, dass unsere holländische Losfee Ruud van Nistelrooy (ihr erinnert euch: Der Typ, der in seiner Prime immer erst im passiven Abseits sein Zelt aufgeschlagen hat, um sofort danach ne riesige Knipserbude zu machen und im Anschluss an seine großen Zeit dann beim HSV immer im richtigen Abseits stand und gelb für Ballwegschlagen bekam…) sich beim Griff in die Lostrommel direkt dermaßen die Pfoten verbrannt hat, als er Borussia Dortmund Bayern München als Halbfinalgegner zulosen wollte. Die sentimentale, naive Fußballfanseite in mir würde es jetzt gerne auf den Fußballgott schieben, aber mein Hirn wispert leider Platini. 😉
So ergab sich also eine wunderbare Gelegenheit für einen kleinen internationalen Auswärtstrip ins frühlingshafte Spanien. Wie immer gilt es in solchen Momenten schneller zu agieren als die Airlines und dementsprechend habe ich im Moment nach der Auslosung auch sofort einen günstigen Flug nach Barcelona gebucht. Schnell noch Hotels ergänzt und zack war der Trip auch schon gebuchte Realität. Nicht lange fackeln, Fakten schaffen muss das Motto sein. Das Rückspiel des BVB in Madrid hab ich mir zwar noch ein bisschen offen gehalten, aber den Auftritt von Bayern München im Camp Nou von Barcelona wollte ich auf alle Fälle besuchen. Mit Barca gab es ja durchaus noch eine offene Rechnung aus der Zeit des blonden Trainerpraktikanten zu begleichen. Von Tickets ward weit und breit noch nichts zu sehen, die aktuelle Rezession in Spanien gepaart mit den überaus sportlichen Eintrittspreisen der spanischen Topclubs (dazu später mehr…) stimmte mich jedoch recht hoffnungsvoll.
Die Hinspiele liefen dann natürlich für beide deutschen Mannschaften absolut sensationell und in einer nie dagewesenen Überlegenheit ab. Damit war niemals zu rechnen gewesen, denn erst fegte Bayern München den FC Barcelona mit 4:0 aus der Allianz Arena und einen Tag später machten es die Dortmunder oder auch nur Robert Lewandowski den Bayern gleich indem sie Real Madrid mit 4:1 bezwingen konnten. Eine unglaubliche Ausgangslage zeichnete sich da ab! Ich habe noch eine Weile mit mir gerungen, ob ich überhaupt nach Madrid fahren sollte, aber zum einen war ich ja eh schon in Spanien und zum anderen halte ich das Bernabeu für das geilste große Stadion in Europa. Ich liebe die Anfield Road, die Allianz Arena ist ein sehr schönes Stadion und nichts ist beeindruckender als die gelbe Wand in Dortmund, aber in der Kombination aus Größe, steile Tribünen und Lage ist das Santiago Bernabeu für mich die Nummer 1 in Europa!
Mein einziger bisheriger Besuch war das Champions League Finale 2010, ich war also entsprechend noch nie bei einem wichtigen Heimspiel von Real Madrid. Tja, was soll ich sagen? Grandioses Stadion, Champions League Halbfinale 2013 und eine klaffende Lücke im Lebenslauf, schon sitzt man zu einem kleinen eintägigen Sidetrip im Zug von Barcelona nach Madrid. 😉
Die Ticketsituation war auch wieder eine Geschichte für sich und unerwartet kompliziert. Ich wollte nicht in den Dortmunder Fanblock, denn einerseits gibt es da ja immer nach dem Spiel ewige Blocksperre und andererseits bin ich nun mal kein BVB Fan. Der Fanblock sollte aber in meinen Augen immer den Fans vorbehalten sein, somit fiel die Option für mich aus. Da Real Madrid aber nicht nur Champions League spielt, sondern auch preislich hier schon mindestens im Finale angekommen ist, hatte ich mir für den anstehenden Public Sale von Real keine allzu großen Sorgen gemacht. Ich gehe also morgens am Tag des Public Sales pünktlich wie es sich für so ein munteres Ticketeichhörnchen gehört, auf die Webseite der Madrilenen, rufe das Spiel auf und sehe… nichts. Halt, nichts ist falsch. Ich habe Vip Tickets gesehen. Ca. 50 zum Kurs von 600 – 800 Euro! Ok, das fand ich jetzt dann doch etwas überdimensioniert, zumal ich mir spanische VIP Konzepte bildlich vorstellen kann… Schön ist sicher anders. Glücklicherweise werde ich in solchen Momenten aber erst mal automatisch grundmisstrauisch und sehr nachdenklich. Ich habe also einfach mal unterstellt, dass die lustigen Stierkämpfer vermutlich lediglich keine Lust auf deutsche Fans auf ihren schönen Bernabeu Tribünen haben. Bei Ticketpreisen von 100 Euro aufwärts wollte ich aber auch nicht glauben, dass das Stadion schon ausverkauft ist. Schnell im kleinen 1×1 der Ticketjagd nachgeblättert und im Kapitel “technisches Grundverständnis eines Ticketshops” stand doch auch schon die Lösung: Verwende einen spanischen Proxy und suggeriere dem Ticketshop von Real Madrid damit einfach einen absolut spanischen Computer, der keine enter sondern eine Ole Taste besitzt. Gesagt, getan und zack da waren plötzlich die ganzen schönen Tickets! Ich wollte gerne in den Mittelrang und hatte schnell ein wunderbares Ticket für mich eingetütet. Abholung am Stadion, alles rund also.
Es ging nun mit dem exzellenten spanischen ICE (dazu mehr im nächsten Bericht) am Tag des Rückspiels ganz entspannt von Barcelona nach Madrid. Schnell die Pension bezogen und schon war ich auf der Puerta de Sol, einem der zentralsten Plätze und Treffpunkte in Madrid. Treffpunkt war hier auch wörtlich zu nehmen, denn ich habe mich dort direkt mit meinem Nachbarn und Freund Michi getroffen. Michi arbeitet für die DFL und ist dementsprechend sowieso auswärts immer vor Ort, das war also eine hervorragende Gelegenheit ein bisschen zu quatschen und bei einer Dose Hopfentee dem munteren Treiben der schwarzgelben Bienen, die zahlreich in Madrid eingefallen waren, zuzuschauen.
Ein sehr kurzweiliger, netter Nachmittag! Irgendwann haben wir uns getrennt – er musste zur Arbeit, ich zur Freizeitaktivität – und ich bin raus zum Bernabeu gefahren. Man kommt da also so aus der U-Bahn Station und steht direkt vor diesem riesigen Fußballstadion, mitten in Madrid. Ein absolut imposanter Anblick! Da bekommt man aber wirklich sofort Bock auf Fußball live vor Ort, geil! Wer noch nie da war: Ist eine Reise wert, aber erspart euch bloß die räudige spanische Liga. 😉
Am Ticketschalter noch schnell die Eintrittsberechtigung in den Fußballtempel abgeholt und rein ging es in die gute Stube. Das Santiago Bernabeu ist wie erwähnt sehr steil und da wo andere (auch schon große) Stadien enden bzw. ein Dach haben, da hat diese Arena noch einen ganzen weiteren Rang. Mein Ticket war wie erwähnt im Mittelrang, zweite Reihe. Ein exzellentes Ticket aus meiner Sicht! Ich war jedenfalls total glücklich als ich von dort so auf das Spielfeld blickte. Mitten in der Kurve der Madrilenen, zwischen so zwei alten Spaniern nahm ich Platz. Die Mannschaften kamen aufs Feld, die berühmte Champions League Hymne dudelte durch die Lautsprecher und jeder weiß wenn im April oder Mai diese Hymne in einem Stadion ertönt, ist es wichtig.
Hier mal ein kurzes Video:
Ich war sehr gespannt auf das Verhalten der Heimfans, weil die Ausgangslage des Hinspiels für Real ja doch… nun sagen wir mal, ein indischer Taxifahrer würde sie als very, very medium bezeichnen. Davon war aber gar nichts zu spüren, denn die Fans von Real Madrid waren von Beginn an voll da. Sehr laut, sehr überzeugt, das klang jedenfalls alles andere als schon gegessen. Ich glaube es ist für jede Mannschaft, unabhängig von der Ausgangslage, schwer im Stadion von Real Madrid zu bestehen, weil es vermutlich eine der druckvollsten Atmosphären im Weltfußball ist. Real hat in der Hütte auch irgendwie immer den Glauben ein Spiel noch drehen zu können, was dazu führt, dass man den Orkan der ersten 15 Minuten einfach überstehen muss. Machen sie ein frühes Tor, wird es im Normalfall ein sehr langer Abend für den Gegner. Und genau so fing Real dann auch an: Nämlich wie die Feuerwehr, volle Attacke! Sie wollten unbedingt dieses schnelle Tor machen und hatten in den ersten 20 Minuten 3 100% Gelegenheiten. Weidenfeller hat in der Phase echt sehr gut gehalten und es schadet insgesamt auch nicht, wenn es Mezut Özil ist der alleine auf einen zuläuft, weil man bei dem weiß, dass er garantiert versucht so ein Tor zu machen, wie er es bei Fifa 2013 auf der Playstation gesehen hat. Kategorie möglichst schwierig. Özil ist so ein Thema für sich. Seine ganze Körpersprache in wichtigen Spielen geht mir zunehmend auf den Zeiger, auch wenn das in diesem Fall für Dortmund natürlich gut war.
Der BVB hat die Phase aber gut überstanden, mit Glück und einem bärenstarken Mats Hummels kein Tor kassiert und in der Folge das Spiel gut in den Griff bekommen. Das sah dann teilweise wirklich sehr souverän aus, obwohl Real Madrid weiterhin natürlich alles versuchte. Ihnen gingen da aber so langsam die ideen aus. Überhaupt muss man mal feststellen, dass die beiden Graupen, die bei den Königlichen auf der Aussenbahn ihr Unwesen treiben einfach mal gar nicht internationales Spitzenniveau sind. Essien ist eh nur eine Notbesetzung, aber wenn ich den Contrao sehe, freue ich mich jedes mal wieder aufs Neue, dass wir den damals nicht bekommen haben. Koantrao, ein Glück! Hinten latent unsicher und vorne rein gar nicht zwingend. Schmelzer oder Alaba hinter Christiano Ronaldo und die linke Seite von Real Madrid sieht aber anders aus, davon bin ich fest überzeugt. Bei Real ging nach vorne alles durch die Mitte, ohne schnelle Aussenbahnen und dann auch noch ohne guten Mittelstürmer ist Dortmund allerdings bekannterweise nur recht schwer zu schlagen. Das hat auch das weiße Ballett um Houdini Özil live und in Farbe erleben dürfen.
Als es nach 70 Minuten dann immer noch o:o stand, hatte ich eigentlich das Gefühl, es müsste für Borussia Dortmund reichen. Sie hatten da zudem auch bereits riesige Torchancen in Reihe vergeben und hätten das Spiel lange entschieden haben müssen. Die Zuschauer hatten sich entsprechend auch etwas abgekühlt, aber was ich extrem positiv empfunden habe war, dass kaum einer frühzeitig gegangen ist. Normalerweise ist bei einem Theaterpublikum ja damit zu rechnen, aber in Madrid sind die Fans geblieben und hatten die Hoffnung irgendwie noch nicht komplett aufgegeben.
Wir sind also schon in den letzten Minuten des Spiels und alle hatten sich mit dem Ergebnis abgefunden, als der Fußballgott doch noch mal kräftig nachgewürzt hat. In Form des 1:0 für Real Madrid durch einen der in meinen Augen größten Alibifußballer dieses Planeten, Karim Benzema. Das Tor fiel komplett aus dem Nichts, aber echt komplett. Und plötzlich war das ganze Stadion wieder da! Wie von 0 auf 100 in Christianos schwarzem Sportwagen. Real witterte plötzlich eine Chance und schmiss einfach alles vorne rein. Da haben sie mal die ganz große Brechstange ausgepackt, Flanke um Flanke segelte in den Dortmunder Strafraum. Als Sergio Ramos dann in der 88. tatsächlich nach einer Ecke auch noch das 2:0 machte, stand das ganze Bernabeu Kopf! Ich dachte in dem Moment echt Dortmund fliegt noch raus. Das Spiel kippte innerhalb von wenigen Augenblicken total und der BVB schwamm hinten gewaltig. Da war keine Ordnung mehr, pure Panik. Eine so packende Atmosphäre, ich hatte absolutes Zittern und dabei bin ich noch nicht mal Dortmund Fan! Das muss man sich mal vorstellen! Es dürfte wirklich keinen Fußballfan im Stadion kalt gelassen haben. Die letzten 5 Minuten waren jedenfalls so intensiv, ich mag mir kaum vorstellen wie es einem BVB Fan dabei ergangen ist. Wenn es Bayern gewesen wäre, hätte ich vermutlich direkt einen Herzkasper bekommen.
Irgendwie haben sie sich dann aber doch mit letzter Kraft, Glück und viel Mats Hummels über die Ziellinie gerettet und das Champions League Finale erreicht. Das Bild bei Abpfiff war ganz beeindruckend, denn sowohl die Spieler von Real, als auch die Spieler von Dortmund sind alle mit dem Schlusspfiff fast gleichzeitig völlig fertig zu Boden gefallen. Da konnte man mal sehen, was das für ein enormer Druck auf die Spieler sein muss, den so eine Situation erzeugt. Der Jubel und die Freude stellte sich bei den Dortmundern dann natürlich auch bald ein, aber zuerst war es wohl echt in erster Linie nur Erschöpfung. Wahnsinn, das gibt es echt nur im Fußball!
Die spanischen Fans waren im Anschluss auch sehr fair und haben beide Teams für diese Vorstellung und den gezeigten Einsatz mit viel Applaus bedacht. Nun und ich war einfach nur total happy über meine Entscheidung nach Madrid zu reisen und dieses emotionale Highlight erleben zu dürfen! – Und ohne Quatsch, ich habe direkt drei Stoßgebete gen Himmel geschickt, um einen ähnlichen Ablauf am nächsten Tag im Camp Nou aber bitte unter allen Umständen zu verhindern!
Glückwunsch natürlich auch an den BVB zum Erreichen des Champions League Finals! Zurück gehts nach Barcelona zum zweiten Teil der Los Wochos!
May 23rd, 2013 at 2:38 am
[…] sich auch ein reisefreudiger Fußballfan wie ich bisweilen. Wobei ich es nach diesem sensationellen Champions League Halbfinalrückspiel am Vorabend zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund in diesem Fall eindeutig euphorisch ausgesprochen habe. […]
September 21st, 2013 at 8:08 pm
[…] es dann auch – wie ich auf meiner Spanienreise ja glücklicherweise live erleben durfte: Der BVB überstand eine packende Schlussphase im Santiago Bernabeu gegen Real Madrid und Bayern setzte sich in 2 starken Spielen gegen den Tiki Taka Einschläferungswahnsinn aus […]