The Madhouse on Madison – NBA Playoffs 2012 Chicago Bulls v Philadelphia 76ers
Basketball, Chicago Bulls, NBA Add commentsIn aufregenden bayrischen Fußballwochen erzähle ich heute noch mal von einer ganz anderen Geschichte, die mir persönlich aber auch ziemlich viel bedeutet hat. Ich war letzte Woche in Chicago. In diesem Fall keine Reise im Auftrag des Sports, aber natürlich habe ich trotzdem mit einem Auge (ggf. waren es auch zwei…) geluschert, was in dem Zeitraum in dieser sportverrückten Stadt in den USA so möglich ist.
Mein absoluter Fokus lag dabei auf der NBA und den Chicago Bulls. Ich wäre auch gern mal zum Baseball gegangen, aber da die Cubs kein Heimspiel hatten und ich mit den White Sox nichts anfangen kann, fiel die Option mehr oder weniger direkt ins Wasser. – Ok, wir haben uns Wrigley Field, das Stadion der Cubs, dennoch angeschaut, aber das jetzt nur am Rande. 😉
Also voller Fokus auf den Saisonverlauf in der NBA! Ich war vor vielen, vielen Jahren schon mal in Chicago bei den Bulls, zu einer Zeit als Michael Jordan und Scottie Pippen im United Center noch Gänsehautmomente in Serie erzeugt haben. Das wird für mich immer eines der Alltime Highlights in meinem Leben bleiben und bedeutet mir in der Erinnerung wahnsinnig viel. Das kann man als Fußballfan vermutlich nicht so ganz nachvollziehen, weil die ganze Atmosphäre bei einem Saisonspiel in der NBA natürlich nicht mit der bei einem wichtigen Fußballspiel zu vergleichen ist, aber alleine mit Michael Jordan in derselben Halle sein zu können, dafür hätte ich damals die Welt gegeben.
Heute würde ich sagen: Die Gnade der frühen Geburt, ich habe den dadurch 2x live sehen können. Damals das vermutlich schwerste Ticket im Sport. Dazu war Amerika einfach gefühlt ein Lichtjahr weit weg und dieses Erlebnis im Prinzip für einen jungen Menschen wie mich, ohne Job, Ahnung und sonderlich viel Geld ein schöner – bedauerlicherweise unrealisierbarer – Traum. Ich habe die Geschichte ja in den Classics schon mal ausführlich erzählt, aber zur Einordnung, als ich damals zusammen mit meinem besten Freund mit den Schwarzmarkttickets durch die Schranke ins United Center kam, habe ich echt am ganzen Körper gezittert. Totaler Flashmoment, ein bisschen wie in Trance. – ok, es war auch schweinekalt im Februar in der Windy City. 😉
Das United Center an der West Madison Street in Chicago ist also dementsprechend mit ganz vielen schönen Erinnerungen für mich verbunden. Ein Blick auf den Spielplan der NBA verhieß schon mal Gutes: Die Saison endete genau 2 Tage vor unserer Ankunft! Zufall, aber natürlich unbewusst perfektes Timing. Zudem haben die Chicago Bulls erneut eine gute Saison gespielt und die Liga angeführt. Hauptsache Heimrecht, dann hatte ich mir so ausgerechnet, dass die NBA den Start der Playoffs direkt auf das Wochenende nach dem Ende der regulären Spielzeit legen würde. Und so kam es auch tatsächlich. Die Bulls sind mit dem besten Rekord der NBA in die Playoffs gegangen und hatten Heimrecht gegen die Philadelphia 76ers (nicht der Frischkäse, Rocky…! Ihr wisst schon, im durchgeschwitzten Schlabberpulli Treppe rauf, Arme in die Luft und rund ums Denkmal zu gonna fly now den Namen tanzen). Riesen Nummer, ich war schon bei vielen NBA Spielen in einigen Arenen der USA, aber ich war noch nie bei einem Playoff Spiel! Und dann noch bei den Bulls im United Center, das hat mir tatsächlich was bedeutet.
Da es der Playoffauftakt 2012 in der gesamten NBA war, fand das Spiel zur ungewöhnlichen frühen Tippoff Zeit am Samstag Mittag statt. Kaum ist man mal in den USA und hat EINMAL kein Problem mit der Zeitverschiebung, fangen die Spiele direkt zur entspannten deutschen Vorabendzeit an. In solchen Momenten schaue ich mich echt immer rechts und links um und erwarte im Prinzip jeden Moment darauf, dass Kurt Felix und Paola hinter einer Hausecke hervorspringen. Gut, der Vorteil war natürlich: Ich konnte Uschi den frühen Anstoss mit ganz viel Resttageszeit für alle anderen Themen verkaufen. Das war allerdings glücklicherweise gar nicht nötig, denn sie hatte richtig Lust auf das Spiel. Voll toll!
Dank des Jetlags und des damit verbundenen early bird Frühstücks, waren wir dann auch durchaus frühzeitig am United Center. Aber bei solchen Nummern, kann man gerne Zeit mitbringen, es gibt schließlich viel zu sehen. Kurzer Fotostop an Michael Jordans Statue vor dem East Gate und dann ging es auch schon rein in die gute Stube. Das Gefühl beim Betreten des United Centers war selbstverständlich nicht mit damals vergleichbar, aber es war für mich dennoch ein ganz schöner, besonderer Moment, den ich sehr genossen habe. Da kamen halt doch viele Erinnerungen hoch, fühlte sich gut an.
Wenn man sich in einer amerikanischen Halle im Allgemeinen und im United Center im Besonderen so durch die Gänge bewegt, muss man einfach mal neidlos anerkennen: Das können die Amis halt! Wenn sie nicht viel können, aber in einer Sportarena eine perfekte, fanfreundliche Infrastruktur anzubieten, das können sie wie niemand anders!
Ich hatte auch im United Center wieder mal direkt spontan den Wunsch, ein paar Verantwortliche des HSV an den Ohren in diese Halle zu schleiffen und zu fragen, ob ihnen vielleicht irgendwas, aber auch nur so winzige Unterschiede auffallen… Es ist nämlich überhaupt keine darwinistische Gesetzmäßigkeit, dass man in einem Stadion ne halbe Stunde in einer Schlange vor Toiletten verweilen muss, oder für ein halbwarmes Würstchen gesteigerte Dankbarkeit empfinden sollte, oder im Umkreis von 5 Meilen keinen Geldautomaten findet… Das geht tatsächlich auch anders, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Das ist toll in den USA.
Irgendwann sind wir dann mal zu unseren Plätzen gegangen. Ich hatte mich aufgrund des besonderen Anlasses ziemlich um die Tickets bemüht und wollte bei dem Spiel einfach so dicht wie möglich am Platz sein. Das hat dann auch recht gut geklappt, denn wir hatten Plätze in der dritten Reihe, direkt hinter dem Korb auf der Seite der Bulls Bench. Ich hatte schon vorher ein ganz gutes Gefühl, was diese Karten anging, aber ich muss sagen in der Halle war das noch mal eine andere Dimension. Das waren ganz grandiose Tickets, so dicht dran war in noch nie! Man kommt da also so mit weit geöffneten Augen in eine der größten Hallen der USA, geht so in Richtung Spielfeld auf der Suche nach den Plätzen und während man sich noch so staunend umsieht, BUMM stehe ich 2 Meter neben Scottie Pippen! Bei Jordan wäre ich vermutlich direkt in Ohnmacht gefallen, Scottie Pippen hat mich immerhin zur Salzsäule erstarren lassen. Wenn in dem Moment einer gekommen wäre und hätte gesagt das Spiel fällt heute aus, geht alle wieder nach Hause… kein Problem, reicht, alles gesehen, wäre für mich ok gewesen. 😉
Pippen ist für mich vom Basketball ein absoluter Riese und das nicht nur aufgrund seiner Größe. Vielleicht der vielseitigste Spieler aller Zeiten, mit Sicherheit aber einer der allerbesten Defender . Michael Jordan konnte auch deshalb so glänzen, weil Pippen in der Defense mit seinen Krakenarmen dem gegnerischen All Star 48 Minuten auf den Sack gegangen ist. Für jeden Beckenbauer rennt auch irgendwo ein Katsche Schwarzenbeck rum und das ist bei den beiden nicht anders gewesen. Da steht man also plötzlich so unerwartet neben einem Idol der eigenen Jugend und fühlt sich wieder wie ein kleines Kind, Wahnsinn. Vermutlich haltet ihr mich jetzt alle für komplett bescheuert (also diejenigen, die das nicht schon vorher gedacht haben), das macht aber rein gar nichts.
Der Schock war noch nicht ganz überwunden, da startet auch schon das Intro der Bulls. Die Halle wird dunkel, viele kleine rote Lichter blinken, die Animation läuft am großen Würfel unter dem Hallendach, die Championship Banner aus den 90ern leuchten unter der Decke und die legendäre Melodie “Sirius” von Alan Parson Project dröhnt aus den Boxen! The Starting Lineup of the Chicago Bulls! Welcome to the Madhouse on Madison. Das erzeugt bei mir auch heute noch immer eine totale Gänsehaut. Für mich ist das noch immer eines der besten Intros im Sport.
Schaut es euch mal an, es lohnt sich:
Woran erkennt man, dass in den USA die nutzlose reguläre Saison vorbei ist und der Ernst der Playoffs beginnt? Die Halle ist zur Abwechslung schon bei Anpfiff voll, sie ist sehr laut, alle sind rot gekleidet und es fühlt sich alles nicht mehr wie ein großes Barbecue im Familienrahmen, sondern tatsächlich wie Livesport an! 😉
In Chicago kommt glücklicherweise noch hinzu, dass die Leute da wirklich sportbegeistert sind und es per se alles etwas ernsthafter angehen, als in vielen anderen Teilen der Staaten. Die Bulls sind da schon “ihr” Team. Wie gesagt, das ist nicht überall in den USA so, zum Teil ist es sogar krass anders.
Gute Atmosphäre zum Start, es konnte losgehen!
Normalerweise ist es in der ersten Runde der NBA Playoffs bei einer Konstellation Erster gegen Achter eine relativ eindeutige Angelegenheit. – Zumindestens wenn die Dallas Mavericks nicht mitspielen. Anders gesagt: Die Playoffs sind sehr lang und die Topteams bestrebt möglichst wenige Körner schon zu Beginn zu verbrennen. Dementsprechend engagiert sind die Chicago Bulls auch von Beginn an zu Werke gegangen. Die Sixers haben aber durchaus dagegen gehalten und so entwickelte sich ein ganz munteres Spielchen.
Was ich schon sehr faszinierend fand: Wenn man so dicht am Feld sitzt wie wir, sieht man erst mal wie unglaublich gut die Basketball spielen können. Es geht mir dabei gar nicht mal um den Highlightfilm, also irgendwelche Monsterdunks oder spektakuläre Bewegungen, nein, es sind die Basics des Sports, die da auf einem unglaublichen Level vollführt werden. Jeder von uns, der beim Spielchen auf dem Freiplatz schon mal seine linke Hand verflucht hat, wird wissen, wie ich das meine. Das ist im übrigen auch eine Parallele zum Fußball, da sitze ich am Spielfeld auch immer so staunend davor. Speziell bei Derrick Rose, dem Superstar der Bulls, ihrem Hoffnungsträger, um endlich wieder mal einen Titel nach Chicago zu holen, ist es ein Vergnügen zuschauen zu dürfen. Ein technisch ganz, ganz toller Spieler, dazu noch absoluter Teamplayer, was in dieser Egoliga wirklich hervorzuheben ist.
Zwischendurch gibt es natürlich ganz Amerika-typisch alle möglichen sinnlosen oder auch gerne besonders sinnlosen Vorführungen aus der tiefen Kiste des Unterhaltungsprogramms. Halbnackt tanzende Cheerleader sind da sogar die klassische Variante, die jonglierenden Hunde oder die tanzenden Rentner kommen schon eher aus der Ecke der Trickkiste. – Böse Zungen behaupten, sie hätten dort auch bleiben können. Dazu macht das Maskottchen, Benny the Bull, allen möglichen Quatsch.
Obwohl ich Maskottchen normalerweise nicht ausstehen kann, muss ich zugeben, dass der Schauspieler in dem Kostüm Talent besaß. Der hat nicht nur wahnsinnig viel Unsinn gemacht, sondern ist im Schutze der Fellhülle auch bevorzugt darauf aus gewesen, junge, weibliche Zuschauerinnen in seinen Spaß einzubeziehen. Schon faszinierend, kaum hat man sich so ein stinkendes rotes Fell übergeworfen, darf man offensichtlich alle Frauen anfassen und die finden das auch noch lustig! Das kann mir bei Gelegenheit auch noch mal jemand erläutern… 😉 Nun ja, egal. Das ist halt alles Amerika pur und gehört bei denen dazu. Daran darf man sich nicht zu sehr abarbeiten.
In der zweiten Hälfte konnten sich die Bulls dann endgültig etwas absetzen und das Spiel frühzeitig für sich entscheiden. Es gibt im Basketball zwar eigentlich keine Vorentscheidungen, weil selbst größte Abstände innerhalb kürzester Zeit aufgeholt werden können, aber in diesem Spiel waren die Bulls schon sehr dominant unterwegs. Alles sah somit nach einem ganz runden Abend aus, bis Derrick Rose sich in der letzten Minute beim Drive zum Korb verletzt hat und liegen geblieben ist. Tja und da die halt wirklich niemals nie liegen bleiben und selbst mit Verletzungen rumrennen, bei denen wir eine Trage benötigen würden, weiß man eben auch: Wenn sie doch liegen bleiben, ist es immer schwerwiegend. Wenn sie sich dann dabei noch das Knie halten, bedeutet es eigentlich nur noch langfristigen Ärger. So auch in diesem Fall. Derrick Rose hat sich das Kreuzband gerissen, fällt für den Rest der Playoffs logischerweise aus und mit ihm sind die Titelhoffnungen der Bulls schon im ersten Spiel vom Platz getragen worden. Die Halle war da echt ziemlich geschockt und viele haben hinterher von einem Sieg gesprochen, der sich wie ne Niederlage anfühlt. Zurecht.
Bis auf diesen Moment war das für uns aber ein grandioses Erlebnis in einer der besten Hallen in den USA. Viele Erinnerungen, ganz viel Spaß, was will man mehr? Irgendwann werde ich wieder dort sein, ich freue mich schon jetzt darauf!
May 11th, 2012 at 3:10 pm
[…] ihren Traum vom siebten Titelgewinn in der BasketballProfiliga NBA begraben Das beste Team derMadhouse on Madison NBA Playoffs 2012 Chicago Bulls v In aufregenden bayrischen Fußballwochen erzähle ich heute noch mal von einer ganz anderen […]
May 14th, 2012 at 8:18 pm
“Für jeden Beckenbauer rennt auch irgendwo ein Katsche Schwarzenbeck rum…”
Bärenstarker Vergleich 😀 , genau so gut wie der Artikel wieder mal. Das mach ich i-wann auch mal!
May 28th, 2012 at 11:26 pm
Schön geschrieben.
Schade, dass sie ausgeschieden sind. Ich hätte sie im Mai auch gerne nochmal gesehen :-/