Ja, ihr habt richtig gelesen. Eben noch in England in der besten Liga der Welt und kaum zurück findet man sich schon in den Niederungen der zweiten deutschen Bundesliga wieder. Ich war mit dem FC St. Pauli auf kleiner Auswärtstour. Es verschlug uns dabei in die düstere Tiefe Ostwestfalens, nach Bielefeld.
Bielefeld? Die Stadt, die es eigentlich gar nicht gibt? Da stellt sich natürlich direkt die Frage: Warum fährt man irgendwo hin, wo es etwas gar nicht gibt? Tatsächlich ist das aus meiner Sicht eine total berechtigte Frage. Die dazugehörige Geschichte lässt sich auch getrost in die Schublade “etwas bescheuert” einsortieren. Aber lest selbst. Es ergab sich, dass ich mit Stefan bei einem der letzten Heimspiele des FC St. Pauli in 2013 war. Das Spiel war wie leider so oft in dieser Saison ziemlich unterirdisch. Als erfahrener Paulibesucher gibt es in solchen Momenten glücklicherweise immer direkt einen Plan B: Man quatscht dann einfach etwas mehr mit den Kumpels und lässt sich vom Team nicht zu sehr den Abend verderben. Also haben wir die Zeit genutzt und ein bisschen über unsere Fußball Reise Zukunft philosophiert. – unter großzügigstem Hopfeneinsatz. Nachdem wir uns ausreichend über unseren bevorstehenden Englandtrip ein Loch ins Knie gefreut haben, ließ Stefan so ganz beiläufig fallen, dass er auch für einige Auswärtspartien der Männer in braun Tickets besorgt hätte. – So und ab dem Moment nahm das Unglück dann im Prinzip auch seinen Lauf!
Zur Auswahl standen dabei die Spiele – jetzt bitte festhalten, denn es kommen nur die sensationellsten Paarungen – von St. Pauli in Cottbus, in Paderborn und in Bielefeld! Unter normalen Umständen hätte ich mir das vermutlich angehört und Stefan dann ganz viel Spaß bei diesen Trips gewünscht. Unter normalen Umständen ist man aber auch nicht von zwei Seiten unter Druck: Links Stefan, rechts der Hopfen! Das war schon eine echt starke Flügelzange, die Flanken prasselten nur so in meinen Strafraum. Guter Vertriebler der er zudem noch ist, hatte ich irgendwann das sichere Gefühl es geht direkt ins Camp Nou zum Clasico. 😉
Na ja jedenfalls war ich von der Idee direkt begeistert! Immerhin war ich aber wenigstens noch in der Lage zu erkennen, dass Trips nach Paderborn oder gar Cottbus nun wirklich nur was für geisteskranke Groundhopper sind. So fiel die Wahl auf das Spiel bei Arminia Bielefeld. Wir sind dann vom Thema abgekommen und ich glaube ich war noch nicht halb aus dem Stadion raus, da hatte ich die ganze Nummer auch schon wieder komplett vergessen. Problem dabei: Das ging halt nur mir so!
Kaum von unserem Englandtrip zurück fragte mich Stefan dann auch sogleich wann wir uns denn wo treffen wollen würden. In dem Moment wurde mir erst das ganze Ausmaß der Katastrophe klar! Logischerweise hatte ich den ganzen Trip komplett vergessen, meine Zusage inklusive. – And from there things got worse! Mir ist nämlich erst zu dem Zeitpunkt aufgefallen, dass ich mich nicht nur freudig zum Frieren auf einer Tribüne in Ostwestfalen Anfang Februar angemeldet hatte, nein, ich hatte mich, viel schlimmer, bereits für Sonntag um 13:30 Uhr auf derselbigen Tribüne in Ostwestfalen verabredet! Gerade wo ich ja Sonntags sowieso immer so ein sensationeller Frühaufsteher bin und ab spätestens 8:00 Uhr nicht mehr weiß was ich mit der ganzen Zeit machen soll… Also da bin ich echt mal ganz offenen Auges in ein Desaster reingelaufen!
Nun gut. Nicht zu ändern, einfach das Beste daraus machen. Immerhin war ich ja auch tatsächlich noch nie auf der Bielefelder Alm und das Stadion ist ja schon irgendwie auch mit viel Tradition belegt. Oder…? Die erste freudige Überraschung kam dann aus einer völlig unerwarteten Richtung: von der deutschen Bahn! Es dauert nämlich von Hamburg ernsthaft nur etwas mehr als 2 Stunden bis man in Bielefeld ist. Das hat mich überrascht, da hatte ich mit viel schlimmeren Zeiten gerechnet.
Am besagten Sonntag war es dann zudem für Anfang Februar vom Wetter her sogar ganz brauchbar. Somit stand einem interessanten Erlebnis eigentlich nicht mehr viel im Weg. Kurzer Zwischenstop in Hannover, den Stefan eingesammelt und ein kurzweiliges Gespräch später hat uns die organisierte Schienenverspätung auch schon mitten in Ostwestfalen ausgespuckt. Irgendwann im Zug ist uns so rein zufällig bewusst geworden, dass Arminia Bielefeld zum einen eine langjährige Fanfreundschaft zum HSV pflegt, zum anderen den einen oder anderen Fan hat, der sich politisch eher am Rand des politischen Spektrums aufhält. Und ich meine hier nicht den linken Rand. 😉 Tja und für original beide Eigenschaften gibt es kein roteres Tuch als den FC St. Pauli mit seinen Fans. Das konnte ja heiter werden…
Wir sind dann mit der S-Bahn zum Stadion gefahren und haben uns da mal ein bisschen umgesehen. Lustig, man latscht da so über einen größeren Parkplatz mit Grünstreifen und steht plötzlich vor so einem schulartigen Gebäude vor dem ein paar besoffene Arminia Fans dabei waren eine Tüte mit Dosenbier zu vernichten. Tja, das war aber gar keine Schule, das war die Haupttribüne der Bielefelder Alm! Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. 😉 Auf der Suche nach dem Eingang zum Gästeblock sind wir dann zahlreichen Arminiafans begegnet, die leider wenig hilfsbereit waren. Insgesamt war die Atmosphäre rund ums Stadion schon irgendwie latent feindselig. Keine offene Konfrontation, aber ein Lachen hatte da auch niemand zu verschenken.
Irgendwann standen wir dann nach einem Spaziergang durch Anwohnergebiete, entlang eines kleinen zugemüllten Bachlaufs, vorbei am Kleingartenverein, über den Ascheplatz endlich vor dem Eingang zum Gästeblock. Es hat leider doch ziemlich gedauert, bis wir die Sicherheitsprozeduren durchlaufen hatten. Eilig hatte es da keiner. Immerhin ist es normalerweise in einer Schlange mit Paulifans immer lustig. Die einen erzählen ihre Lebensgeschichte, ungefragt selbstverständlich, die anderen versuchen den Polizisten, die da in voller Montur grimmig auf uns aufpassten ein Lachen zu entlocken. Mein persönliches Highlight in diesem Zusammenhang war die folgende Begebenheit:
Polizistin Typ Kampfterrier, 160 x 160, kurze blonde Haare, sehr lange unter dem Toaster gewesen (SEHR lange!), verdient sich privat im SM Club vermutlich noch 5 Euro dazu (aktiv!), tendentiell an anderen Frauen interessiert: (schaut grimmig und böse, die Welt ist schlecht)
Paulifan, lange Haare, Astraknolle in der Hand, Typ Streetworker, life is beautiful: (schaut Kampfterrier an) Ey, Frau Polizeimeisterin!
Polizistin: (schaut noch grimmiger, legt die Hand schon mal an den Schlagstock, sagt nichts)
Paulifan: (lacht sie an) Na! Vor kurzem zufällig im Süden gewesen? Wie war denn der Urlaub?
3 Polizeikollegen links und 3 Polizeikollegen rechts von ihr: (brechen vor Lachen fast zusammen)
Polizistin: (offene Feindschaft im Blick, denkt über den Einsatz von Pfefferspray nach, sagt immer noch nichts)
Polizeikollege links: Sie war auf Lanzarote! (lacht)
Polizeikollege rechts: Ja, 4 Wochen lang….! (lacht)
Paulifan: Echt? Ich hätte jetzt Malediven getippt
Paulifan, Polizisten rechts und links: (alle lachen)
Polizistin: (hasst jetzt ihren Job, ihre Kollegen, Pauli und die Männer an sich) Knurrt.
Das war echt ein Highlight, ich habe mich selten in einer Warteschlange so gut amüsiert. – Es hilft dabei natürlich auch, wenn es keine Minusgrade hat. Mit dem Wetter hatten wir nämlich echt Glück an diesem Tag.
Wir sind dann schön in den Gästeblock gegangen. Vorher hat die Stadionwurst noch überraschend einen Pluspunkt bekommen, die war echt gut. Das alkoholfreie Bier dafür 5 Minuspunkte. Zum Thema alkoholfreies Bier in Stadien und Risikospiele schreibe ich noch mal einen separaten Bericht. Es geht mir doch zunehmend auf den Zeiger.
Der Gästeblock auf der Bielefelder Alm ist eigentlich kreuzdämlich positioniert. Die Stehplätze sind zum Beispiel direkt an der Wand der Hintertortribüne. D.h man sieht vermutlich wenig bis gar nichts. Die Sitzer sind daneben im Oberrang, da ist es etwas besser. Der Gästeblock war bereits brechend voll, wir waren aber auch spät dran. Mir hat das aber gut gefallen, denn die Zuschauer haben sich einfach in die Aufgänge gestellt, so dass es einen schönen durchgängigen Block ergeben hat. – Natürlich gibt es dann auch immer so Clowns die sich genau darüber beschweren, weil sie ja so unfassbar viel für die Sitzplätze bezahlt hätten und jetzt stehen müssten. Was solche Leute in einen Auswärtsblock verschlägt wird sich mir nie erschließen.
Es ging dann auch direkt los. Erst mal den Blick ein bisschen durchs Stadion schweifen lassen. Mir hat gut gefallen was ich da gesehen habe. Die Bielefelder Alm ist ein schönes Zweitligastadion. Durchgehende Tribünen, zwei Ränge, das sah gut aus! Zudem war es vermutlich das erste Mal in der Saison ausverkauft. Die Arminiafans haben dann noch eine durchaus beachtenswerte Choreo veranstaltet, sich in der Folge aber eher ruhig verhalten. Arminia Bielefeld kämpft mit dem Abstieg, ein Zustand den die meisten Zuschauern hier wohl schon hinter sich haben. Die Stimmung im Gästeblock war dafür sehr gut und Pauli spielte auch von Beginn an einen einigermaßen ansehnlichen Ball. Sie sind ja lustigerweise im Moment auswärts stärker als Zuhause. – oder anders formuliert: Die wenigen Jahre in denen sie auswärts auch nur irgendwas auf die Kette bekommen, haben sie leider eine schlechte Heimbilanz. Das macht schon Sinn, denn sonst würde man ja auch unangefochten aufsteigen. Wer will das schon?
Der FC St. Pauli geht jedenfalls folgerichtig 1:0 in Führung. Und als Nöthe nach ca. 60 Minuten das 2:0 für die Boys in brown macht, sah das Spiel eigentlich gelaufen aus. Logischerweise ist es das nicht, wenn der FC St. Pauli involviert ist… Bielefeld hatte eigentlich bis dato offensiv gar nichts zu bieten und die Fans waren auch eingeschlafen. Was macht man da in der eigenen Verzweiflung? Man holt die Brechstange raus!
Sie wechselten also einen kopfballstarken Stürmer ein und spielten von da an nur noch lang und weit vorne rein. In der Hoffnung irgendetwas zu generieren. Und dann verwandelt dieser Baum auch noch eine dieser Flanken zum Anschlusstreffer. Nur noch 2:1 für das Team vom Millerntor. In der Folge hat St. Pauli ein paar sehr gute Konterchancen, die sie aber leider alle kläglich vergeben haben. Tja und so kam, wie es vermutlich einfach kommen musste: Sie verlieren in der Nachspielzeit im Mittelfeld den Ball, Arminia spielt ihn nach aussen, Flanke und das lange Elend macht seinen zweiten Treffer zum Ausgleich. 2:2. Schöner Mist!
Also das waren echt total unnötige Punktverluste. Das Spiel darf Pauli niemals Unentschieden spielen, sehr bedauerlich.
Es war aber für uns ein dennoch unterhaltsamer Nachmittag. Auf dem Weg zurück vom Stadion zum Bahnhof haben die Arminia Fans dann versucht die dritte Halbzeit anzupfeifen. Immer wieder lustig, wenn plötzlich so ein Schwarm junger Burschen an einem vorbei läuft und sich beginnt die Lederhandschuhe überzuziehen… Die Polizei hat die Gästefans entsprechend durch die Straßen zum Bahnhof begleitet. Stefan und ich haben dann mal ein bisschen Abstand gehalten. Am Bahnhof ging das alles noch ein bisschen so weiter. Ich habe wirklich ganz lange nicht mehr so viele Asis auf einem Haufen gesehen, die alle nur Streit gesucht haben! Die haben doch recht munter alles was erkennbar aus Hamburg kam oder von dort vermutet wurde versucht zu provozieren. Was für ein Gesindel! Sowas sag ich echt nicht oft.
Na ja, trotz allem eine gelungene, sehr lustige Auswärtsfahrt! Es war wirklich schön mal die Bielefelder Alm zu sehen, auch wenn ich das jetzt nicht noch mal machen müsste. In Hannover trennten sich unsere Wege dann wieder. Stefan ging nach Hause und ich kämpfte noch ein bisschen mit der deutschen Bahn, war dann aber auch irgendwann zurück.
Mit St. Pauli in Bielefeld. Da erlebt man was!
March 22nd, 2014 at 9:21 pm
bielefeld?
gibs doch garnicht 😉