Livesportfan Blog

Nachdem ich ja jetzt eine ganze Weile nichts geschrieben habe, ist es mal wieder an der Zeit für einen kleinen Erlebnisbericht. Und was soll ich sagen? Gleich Zeuge eines historischen Bundesligamomentes geworden! – Ok, Zeuge stimmt in dem Sinn eigentlich nicht, denn ich habe weder den Becherwurf auf den Linienrichter gesehen, noch mitgeschnitten, dass der Schiri die Partie abgebrochen hat… 😉 Dazu später mehr.

Die Saison läuft für mich im Prinzip seit ein paar Monaten komplett katastrophal. Mein Verein Bayern München hat das Jahr 2011 bisher ganz ins Zeichen unglaublicher individueller Fehler und horrendem Abwehrverhalten gestellt und dementsprechend auch sämtliche Chancen für eine erfolgreiche Saison frühzeitig aus dem Stadion geschossen. Zu allem Überdruss haben alle anderen Vereine, die international meine Wertschätzung genießen, dieses Prinzip aufgegriffen und machen da mal freudig mit. Das gibt es eigentlich gar nicht!

Fußball ist also offiziell aktuell schei…!

Ich habe doch ziemlich mit der Saison abgeschlossen und relativ wenig Bock zum Fußball zu gehen. Eine für mich wirklich sehr ungewöhnliche Situation. Keine Lust internationale Trips zu machen, keine Motivation ins Stadion zu gehen. So kenne ich mich ehrlich gesagt gar nicht, hoffentlich habe ich mir nicht so einen schlimmen Virus eingefangen. 😉

Letztendlich ist das auch der Grund, weshalb hier in der näheren Vergangenheit so wenig an Aktivität zu spüren war: Ich bin einfach überhaupt nicht unterwegs gewesen. Der einzige, der diese Entwicklung wohl ganz positiv findet, ist der Bankberater meines Vertrauens. Zumindestens an der Front sind weniger Tickets nicht automatisch schlecht… Vermutlich sollte ich meinen Teams daher sogar dankbar sein. Am Ende des Tages werde ich euch also hier mit mehr Classics-Geschichten auf den Keks gehen, als das aktuelle Geschehen in der Bundesliga zu begleiten.

Ein schwacher Trost ist das allerdings schon, anders wäre es mir jedenfalls deutlich lieber.

Anyway, es gibt diese Rückrunde nur noch 2 Spiele, die ich live besuchen werde und eines davon fand am Freitag im schönen Stadtteil St. Pauli im Millerntorstadion statt: FC St. Pauli gegen Schalke 04. Ich gehe wirklich gerne zu Pauli, weil die Stimmung meistens gut ist, die Tickets günstig sind und weil ich mit der U-Bahn in 15 Minuten am Stadion bin. Und natürlich weil ich den Verein in vielen Punkten auch mag! Versteht sich. Mein Freund Stefan hatte in einem durchaus umfangreichen Tausch- und Gegentauschmanöver 2 Steh Tickets für die Nordtribüne organisiert und da bin ich doch gerne mitgegangen. Flutlichtspiele am Freitag Abend sind sowieso immer klasse am Millerntor, vor allem wenn es dann auch noch um so viel geht wie am Freitag.

Der Stehplatzbereich auf der Nordtribüne gehört zum alten Teil des Millerntorstadions und hat dadurch so ein paar Besonderheiten. Der Stehplatzbereich ist z.B. ziemlich flach, die Zäune dafür aber nicht automatisch niedriger. Mit der Folge, dass man ziemlich früh drin sein muss, wenn man einigermaßen was vom Spiel sehen möchte. Nun gut, das ist jetzt nicht für alle Fans bei Pauli entscheidend für einen guten Abend, aber ich finde es schon wichtig. 😉

Wir waren also eine gute Stunde vor Anpfiff im Stadion. Eigentlich ist die Atmosphäre da dann auch ganz lustig, denn die Stehplatzbereiche sind so halb gefüllt, der Rest des Stadions ist aber leer und von den Spielern ist auch noch nichts zu sehen. Immerhin haben die Bierstände aber schon auf und so gibt es eine wirklich gute Gelegenheit ausführlich zu quatschen. Unsere Plätze haben mir total gut gefallen, weil ich da noch nie gestanden habe und es so ab und an spannend finde, auch mal eine andere Perspektive in einem Stadion zu bekommen. Das Millerntor sieht wirklich aus jeder Ecke irgendwie ein bisschen anders aus.

St. Pauli ist leider (oder auch nicht, ganz wie man es so sieht) schwer abstiegsgefährdet. Das hängt in erster Linie mit der fehlenden Erstligaklasse zusammen. Die Mannschaft ist unterm Strich nicht auf dem Level der anderen Teams in der Bundesliga, einen Umstand, den sie in der Hinrunde ganz gut kaschieren konnten. Jetzt in der Endphase der Saison merkt man das aber überdeutlich: Die anderen abstiegsgefährdeten Teams bekommen noch mal richtig Rückenwind und pushen, punkten dadurch natürlich auch. – Mal abgesehen von Gladbach, die sind genau so schlecht. 😉 Bei Pauli ist davon seit dem Derbysieg leider wenig zu spüren, dabei kann man der Mannschaft aber keinesfalls fehlenden Willen oder mangelnden Einsatz vorwerfen. Ganz im Gegenteil: Die Truppe ist am Freitag von Beginn an voll drauf gegangen und hat körperlich alles in die Waagschale geworfen, was drin ist. Das kann man wirklich gar nicht kritisieren, aber die Mittel sind eben sehr, sehr beschränkt. Ist so ein bisschen wie ein Autoschrauber ohne Hebebühne. Da wird es dann auch schwer am Unterboden zu arbeiten.

Die Stimmung vor Anpfiff war aber der Bedeutung des Spiels entsprechend wirklich wahnsinnig gut! Ich war ja schon oft bei St. Pauli, aber Freitag war einer dieser echten Gänsehautmomente. Choreo auf der Haupttribüne, Wunderkerzen im ganzen Stadion und ganz lauter Support. Es war so eine vibrierende Atmosphäre in der Hütte, so eine angespannte Aufregung, die man nur in den besonderen Spielen erlebt. – Gut, da war ja noch nicht abzusehen, dass es ein so “besonderes” Spiel werden sollte…. Ich muss aber mal aus vollem Herzen sagen: Das war Freitag so eine Nummer, wenn man nicht aus Hamburg kommt, nicht regelmäßig bei Pauli ist, dann wäre das Millerntor eines dieser besonderen Stadien, für das ich einen großen Aufwand betreiben würde, um mal dabei sein zu können!

Wie gesagt, der Wille beim Team war absolut da und die ersten 20 Minuten hat der FC St. Pauli wirklich gut Druck gemacht. Ein paar Chancen gab es für die Kiezkicker auch, letztendlich war es im entscheidenden Moment aber entweder zu ungenau gespielt, zu kläglich vergeben oder gut von Schalke abgeblockt.

Schalke 04 hat sich das erst mal ne Weile angeschaut und dann im Stile einer guten Bundesligamannschaft in den wichtigen Momenten einfach eiskalt zugeschlagen. Das war beim 0:1 durch Raul so, das war auch in der zweiten Hälfte beim 0:2 der Fall. St. Pauli bekommt das  Ausgleichstor wegen Abseits abgepfiffen und wirklich direkt im Gegenzug macht Schlacke eiskalt das 0:2, game over. In der Phase machte dann auch der Unmut auf den Rängen so langsam seinen Lauf. Erst der nicht gegebene Ausgleich (was ja im Nachhinein wohl eine korrekte Entscheidung war), dann das zweite Gegentor und zu guter Letzt noch die roten Karten. Die gelb rote war aus meinem Blickwinkel im Stadion in Ordnung, die rote wirkte für mich etwas unnötig, wenige Minuten vor Schluss. Die Volksseele kochte jedenfalls und es flogen auch aus der Nord ungewöhnlich viele Dinge auf Spielfeld, vor allem aber volle Bierbecher. – Wie man ein volles Bier wegschmeissen kann, erschließt sich mir natürlich mal gar nicht! Das ist bei den Preisen im Stadion wirklich Quatsch.

Durch meinen Stehplatz hatte ich wirklich eine sehr große räumliche Distanz zur Situation wo der Becher den Linienrichter trifft und davon wie gesagt auch nichts mitbekommen. Insgesamt ist das für St. Pauli aus verschiedenen Gründen aber ziemlich katastrophal. Es droht in der wichtigsten Phase ein Geisterspiel und man verliert als Verein mit sowas natürlich auch ein bisschen seinen guten Ruf in Bezug auf Fanverhalten und Gewaltlosigkeit im Stadion. Das ist sehr, sehr schade und es werden am Ende dadurch leider auch die Fans bestraft, die sowas niemals machen würden. Bei der Szene kam natürlich auch der gesammelte Frust der Fans über die Niederlagenserie, den sich immer deutlicher abzeichnenden Abstieg und die Leistungen der eigenen Mannschaft hoch. Freitag war schon wirklich ein wichtiges Spiel, eine harte Niederlage.

Kleine Anmerkung am Rand: In England und Schottland gibt es ja z.B. keinerlei Zäune und da wirft auch niemand was aufs Spielfeld. – Man darf aber eben auch oft kein Bier mit in den Innenbereich nehmen. Ich finde es jedenfalls armselig, wenn man Dinge in Richtung der Schiris wirft.

Da wir aber all das nicht mitgeschnitten haben, waren wir zeitig aus dem Stadion raus, haben am AFM Container gewartet, dass die Rollläden hochgehen, um bei 1-2 Knollen das Spiel noch mal ordentlich zu analysieren. 😉

Tja, unterm Strich bin ich also bei einem historischen Bundesligamoment live dabei gewesen. – Hab ihn aber leider unschuldig ignoriert.