Im Zuge meines kleinen Neujahrstrip zur PDC Dart WM nach London stellte sich uns natürlich irgendwann auch nahezu automatisch die Frage, was denn eigentlich mit Fußball ist? Eine Reise nach London und dann kein Stadionbesuch, ihr müsst zugeben das hört sich doch ziemlich seltsam an, oder?
Ein Blick in den Spielplan der Premierleague verhieß jedoch leider nichts Gutes, denn die lustigen Engländer hatten mal wieder eine doch sehr eigene Interpretation eines kompakten Spieltages an den Tag gelegt… Meine Hoffnung war eigentlich, mal wieder am Montag zu den Spurs an die Lane zu gehen. Da war ich verhältnismäßig lange nicht mehr, darauf hätte ich große Lust gehabt. Tja, leider war das Spiel aber nicht am Montag, sondern erst am Dienstag angesetzt, fiel somit also direkt mal aus. Weiterschauen. Die Queens Park Rangers hatten auch ein Heimspiel und da ich die Loftus Road gut finde, wäre das wohl meine Wahl geworden. Nachdem es auch keine interessanten Zweitligaspiele im Raum London gab und sonst nur noch Fulham – Arsenal übrig blieb, hatte ich mich mit QPR also auch schon einigermaßen angefreundet. Volker wies mich dann aber dankenswerterweise darauf hin, dass wir noch nie bei einem Premierleaguespiel im Craven Cottage waren und es sozusagen schon aus Gründen der Vervollständigung Londoner Premierleague Spielstätten unsere Pflicht wäre, zum FC Fulham zu gehen!
Er selbst war schon mal dort im Stadion zu Zeiten als der HSV noch international gespielt hat und konnte viel Gutes berichten. Ich war da tendentiell doch ziemlich skeptisch und eher wenig begeistert, das muss ich schon so zugeben. Meine vorgeprägte Meinung über die Atmosphäre beim FC Fulham und über das Stadion selbst war definitiv nicht gut, warum auch immer. Das Argument der Vervollständigung habe ich aber dann durchaus verstanden und da bei dem Heimspiel von QPR auch alles andere als “Highlight” über der Partie stand, hab ich mich halt darauf eingelassen. Bevor ich am Ende noch im britischen Museum in der Saurierausstellung lande und die Knochen von Tieren mit einem erwiesenermaßen denkbar schlechten Langfristkonzept zähle, hielt ich Fulham noch für das geringere Übel.
Wir also an einem wirklich sonnigen Januartag mit der Tube in den Südwesten Londons in Richtung Fulham aufgebrochen. Das Stadion Craven Cottage liegt am Rande des Stadtteils, direkt an der Themse und man muss aus der Innenstadt die Tube 1-2 wechseln. Eigentlich ist das kein Problem, aber Volker und ich haben da mal am Earls Court einen richtig schönen Newbiefehler gemacht: Erst lesen, dann einsteigen, nicht umgekehrt. 😉 Die District Line ist da eher so ein fahrendes Quiz für Londontouristen, denn die gleiche Linie fährt in 4 Richtungen und wenn man nicht sehr genau auf die Endstation schaut fährt man halt schnell man in die falsche Richtung. Nutzlose Zeitverschwendung, die uns vermutlich den Platz in den Pubs rund um die Tubestation in der Nähe des Stadions gekostet hat. Als wir dann endlich dort waren, hatten die meisten Pubs nämlich schon aufgrund von Überfüllung geschlossen. In England gibt es dann ja zudem rund um das Stadion Pubs, in die man nur mit einer Eintrittskarte kommt. 😉 Wir sind also ein bisschen die Hauptstraßen entlang geirrt, haben aber letztendlich noch einen netten Pub gefunden, der 5 Ticketbesitzer auf ein Bier aufgenommen hat.
Craven Cottage liegt, wie in England allgemein üblich, mitten im Wohngebiet und ist als Stadion auch gar nicht mal so groß. Als wir da so quer durch den Stadtteil hingegangen sind, fand ich es dann Volkers Vorschlag doch gar nicht so schlecht und als wir vor dem Stadion standen und ich feststellen durfte, dass die Craven Cottage a) noch da ist und b) als fester Bestandteil des Stadions zwischen den Tribünen integriert ist, da hatte ich dann richtig, richtig Bock auf das Spiel! Wieder mal der Beweis dafür, dass man sich hier und da einfach auf unbekannte Dinge einlassen muss, dann wird es meistens lustig.
Wir also durch diese ultra-engen Eingänge, bei deren Anblick der deutsche TÜV lachend zusammenbrechen würde, rein ins Stadion! Enge Hütte, nur ein Rang, man sitzt also automatisch wahnsinnig dicht am Spielfeld. Volker hatte zudem echte Welttickets besorgt! 8 Reihe oder so, sehr dicht am Spielfeld und da die ersten 3 Reihen in England im Prinzip unter der Grasnarbe sitzen, waren wir absolut auf Höhe des Spielfeldes. Ich liebe es ja sehr dicht am Platz zu sitzen. Manche haben lieber den Gesamtüberblick von weiter oben, manche sitzen am liebsten seitlich des Spielfeldes, ich sitze am liebsten ganz weit unten auf Platzhöhe, gerne auch hinterm Tor. Ich bin halt der Meinung, dass ich Gesamtüberblick auch im Fernsehen bekomme, aber Liveatmosphäre dicht am Spielfeld einfach am besten ist! Dort wo man das Gras sehen und die Spieler riechen… äh umgekehrt.. kann. Ein weiteres nicht unwichtiges Detail: Die Tickets waren hinterm Tor auf der Seite der Gästefans! Jetzt habe ich ja nun nicht die allerbeste Meinung von Arsenal London und ich halte das Emirates für eines der stimmungsmäßig schlimmsten Stadien Europas, aber ich muss nach diesem Besuch sagen: Arsenal London auswärts, das ist ein ganz anderer Schnack! Die Gunners hatten richtig viele Fans dabei und waren von Beginn an sehr lautstark. Viele Gesänge, echt guter Auswärtssupport und überhaupt nicht mit der Begräbnisatmosphäre im Emirates vergleichbar. Wir saßen also komplett perfekt, grandiose Tickets! Großer Dank dafür an Volker.
Irgendwann kamen die Mannschaften und dann konnte es losgehen. Schönes Flutlichtspiel auf einen Montagabend! Arsenal hat übrigens am 31. Dezember ein Ligaspiel gemacht und am 2. Januar schon das nächste. Nur mal so für alle, die nicht wissen woher der Begriff englische Woche herkommt. 😉
Die Fulhamfans waren von Beginn an ziemlich zurückhaltend. Kaum Support, keine Gesänge, das deckte sich mit dem, was ich über die Craven Cottage gelesen hatte. Dafür haben die Arsenalanhänger aber Gas gegeben und die eigene Mannschaft fühlte sich davon offensichtlich auch angetrieben. Arsenal London hat nämlich von Beginn an Gas gegeben, sehr schnellen, technisch anspruchsvollen Fußball gespielt. Sie hatten in der ersten Halbzeit wirklich einige sehr gute Chancen und gingen folgerichtig auch mit 1:0 in Führung. Damit war der FC Fulham auch noch ziemlich gut bedient, denn der Rückstand hätte wirklich problemlos höher ausfallen können.
Bei Arsenal London spielt ja neuerdings auch unserer Nationalverteidiger Per Mertesacker. Nach seinem Wechsel von Werder Bremen zu den Gunners hatte er doch ein paar Wochen große Probleme sich an das andere Tempo in England zu gewöhnen, aber inzwischen spielt er regelmäßig und zeigt gute Leistungen. In England haben die Fans zudem eine Schwäche für große, kopfballstarke Innenverteidiger, vermutlich weil sie selbst alle mal einer waren und nachdem Mertesacker die erste schwere Phase überwunden hatte, wird er inzwischen von den Fans regelmäßig gefeiert. Am Höhepunkt der Bewunderung bekommen einzelne Spieler von den Fans einen eigenen Chant und den Punkt hat er jetzt auch erreicht. Die Arsenalfans singen nach guten Aktionen von Per jetzt immer: “Big fucking german, we’ve got a big fucking german!” Das ist tatsächlich ein extremer Liebesbeweis der Fans, auch wenn es zuerst anders klingt. 😉 Fand ich jedenfalls cool.
In der Halbzeitpause hat Arsene Wenger dann offensichtlich irgend so einen Beruhigungstee in der Kabine ausgeschenkt, denn Arsenal kam mit einer gehörigen Trägheit aus der Pause und hatte sämtlichen Schwung verloren. Es wirkte fast so, als wenn sie das 1:0 einfach über die Zeit spielen wollten, was wie uns der große Fußballgott schon oft lehrte, nahezu immer schief geht! Fulham witterte jedenfalls plötzlich eine Chance, begann aggressiver nach vorne zu spielen und bekam plötzlich auch Chancen. Als Arsenal dann noch den rechten AV mit einer gelb-roten Karte verlor, standen sie eigentlich nur noch hinten drin. Das war teilweise recht chaotisch und auf einmal waren auch die Fulhamfans tatsächlich mal zu hören! Was eine Überraschung, wir dachten schon sie sind alle komplett stumm.
10 Minuten vor Schluss machte der FC Fulham dann den aufgrund von Hälfte 2 verdienten Ausgleich und zur Krönung des Tages erzielten sie in der Nachspielzeit auch noch das Siegtor! Das war doch etwas zuviel des Glücks, aber die Stimmung war danach im Craven Cottage natürlich ausgesprochen ausgelassen. Abpfiff, alle gehen nach Hause. Das wiederum dann wie oftmals auf der Insel, sehr entspannt, ganz geordnet, mit nur wenig benötigter Polizei.
Wir hatten also unseren Spaß und es war wirklich ein total schöner Abend im Craven Cottage! Das Stadion ist echt schön und daher empfehle ich jedem dort mal einen Besuch, vorzugsweise mit einem Gegner, der selbst lautstarke Fans mitbringt, damit man nicht so darauf hoffen muss, dass die Fulhamfans schon vor Ende der Partie aus der Trance erwachen. 😉
Danach haben wir noch in einem Pub im Stadtteil das Finale der Dart WM geschaut und durften dabei feststellen, dass wir auch bei der Spielauswahl alles, aber auch wirklich alles richtig gemacht hatten!
January 16th, 2012 at 9:11 pm
Schönes Stadion, schöner Bericht
Was ich außerdem toll fand: Ich habe noch nie vom südlich des Stadions gelegen Stadtviertel “Putney” gehört. Ich fand das total interessant und bin mir sicher, dass ich das nochmal ausgiebiger erkunden werde.
Sowas kann man nur durch Fußball entdecken 😉 😉
January 26th, 2012 at 9:54 pm
also, also, also….
Als anno Januar 2010 das Sturmtief Daisy meine Londoner Fussi-Pläne durchkreuzte, habe ich als Alternativprogramm das NATIONAL HISTORY MUSEUM mit seinem berühmten SAURIERSKELETT (!!!) gewählt. Fazit: Sehr empfehlenswert! Also bitte vorsicht mit unüberlegten Vorurteilen! 😉
Nichts desto trotz hat auch das Craven Cottage seine Vorzüge – insbesondere, wenn man ein so cooles Match erwischt
January 14th, 2013 at 12:06 am
[…] gegen die aufkommende Langeweile begonnen. In beiden Stadien war ich zudem auch schon, wobei es bei Fulham zugegeben gut war. Das würde ich für die Zukunft nicht ausschließen, aber zum FC Arsenal ins Emirates treibt mich […]