Lang, Lang ist es her seit der letzten Livesportgeschichte. Ich bin aber tatsächlich noch am Leben und habe diesen Blog auch nicht aufgegeben.
Der Grund der langen schreiblosen Zeit ist recht einfach: ich war nach dem Champions League Finale im Mai im Prinzip fast ein halbes Jahr nicht im Stadion. – ok, wenn man mal von den regelmäßigen Besuchen bei St Pauli absieht. Aber da passiert nun auch nicht jede Woche etwas außergewöhnliches über das es sich zu schreiben lohnt.
Mit dem Jahreswechsel nach 2014 wird sich das jetzt aber wieder ändern. Man könnte auch sagen, es hat sich schon geändert! Schlagartig und intensiv. Es gibt also einiges aufzuarbeiten.
Der Januar begann gleich mal mit einem echten Highlight: schöner Topspiel Doubleheader in England! Zuerst das merseyside Derby, FC Liverpool gegen den FC Everton und direkt einen Tag später Tottenham Hotspur gegen Manchester City. Zwei absolute Topbegegnungen der englischen premierleague also. Ich wollte unbedingt mal wieder an die Anfield Road nach Liverpool, also hab ich mir vor der Saison den Spielplan intensiv angeschaut und sehr zügig den Spieltag im Januar identifiziert. Es ist selbst in England selten eine so perfekte Kombination aus 2 tollen Spielen zu bekommen. Noch viel seltener ist es allerdings, dass es ein Spieltag unter der Woche ist! Das bedeutet dann im wesentlichen 2 Dinge: Spiele unter Flutlicht (geil!) und Planungssicherheit, weil diese Spiele nicht so munter hin und her geschoben werden wie an einem Wochenende. Die Premierleague ist da total gnadenlos und interessiert sich nicht für die Belange der Fans. Du hast einen Flug und ein Hotel gebucht, weil du dachtest das Spiel ist Samstag? Tut uns leid jetzt ist es Montag oder noch sehr viel lustiger: Montag in 3 Wochen! 😉 in so einem Fall macht man dann halt ziemlich dicke Backen.
Ich hatte schon 2 x in der Vergangenheit Tickets für dieses Derby und beide Male ist genau so ein Mist passiert. Wobei ich damals wenigstens clever genug war keine Flüge gebucht zu haben.
Dieses Jahr sollte es jetzt aber endlich mal soweit sein!
3 Freunde für den Trip begeistert, ein paar sehr günstige Flüge und Hotels gebucht und schon könnte es im Prinzip losgehen. Ach ja… Tickets fehlten noch. Das war dieses Mal tatsächlich ein ziemlicher Akt, weil Liverpool und Everton erstmalig seit vielen Jahre wieder beide gleichzeitig konkurrenzfähig sind. Das Derby hatte also eine richtige Bedeutung. Das ist zwar gut für das Erlebnis, leider eher hinderlich für die Ticketbeschaffung. Liverpool hat als Hausnummer für diese Tickets entspannt mal Mitgliedschaft plus 13 Spiele der Vorsaison aufgerufen. Und ich brauchte ja auch gleich 4 davon. Sehr schwierig. Mein Dank gilt an dieser Stelle mal wieder Franz Josef für seine unnachahmliche Unterstützung und Hilfe. Zwei Tickets hat er mir besorgt, 2 weitere hab ich über Hospitality gezogen. Das war zur Abwechslung doch mal sehr viel mühevoller als gewohnt, aber es ist natürlich dann auch um so schöner wenn es klappt.
An einem Montag ging es also von Hamburg mit der kleinen orangenen Reise-Müllabfuhr Easy Jet nach Manchester. Von dort in die Bahn und schon ist man in Liverpool. Hamburg – Liverpool – London – Hamburg ist einer der Wege, die ich inzwischen mit verbundenen Augen buchen kann. Ich glaube preislich auch überaus konkurrenzfähig, was ja bei solchen Trips wichtig ist. Das ging also echt stressfrei. Beeindruckt hat mich, dass dieses mal selbst im Flugzeug bereits zahlreiche Liverpool und auch Everton Fans waren. Wie wir dann festgestellt haben, zahlreiche Skandinavier. Das hatte ich so bisher bei einem ligaspiel unter der Woche noch nicht erlebt, es hat aber die Vorfreude gleich noch mal gesteigert.
In Liverpool waren wir noch kurz raus, wobei da auf einem Montag Abend schon weniger los ist. Ich bevorzuge übrigens das Liner Hotel an der Limestreetstation. Wenn man schnell ist, bekommt man sehr gute Deals und die Lage zum Bahnhof und zum Partyviertel hat reisetechnisch einfach sehr viele Vorteile.
Am nächsten Tag gab es ein bisschen Sightseeing, schon um das eine oder andere Liverpool Klischee aufzulösen und einen kurzen Besuch im Fanshop. Kurz weil Liverpool es erstmalig geschafft hat, dass ich echt absolut gar nichts aus der Kollektion haben wollte. Faszinierend, das ist mir echt noch nie passiert. Irgendwie könnte ich mich weder für das Auswärtstrikot – seines Zeichens eines der hässlichsten aller Zeiten! – noch für diesen Dieter Bohlen Camp David Gedächtnislook begeistern. Ihr wisst schon, große alte Schriftzeichen munter und wild auf Stoff gedruckt, so dass man denkt man tragt das Vorwort der Bibel auf dem Hemd spazieren. Quatsch. Einfach hässlicher Quatsch. Amen!
Wir haben im Pub noch Daniela und Olli getroffen, sind dann aber auch am späten Nachmittag raus zur Anfield Road gefahren. Ganz entspannte Geschichte dieses Mal also. Die Pubs waren sogar noch ziemlich leer, was ich in der Form auch noch nicht erlebt habe. Es füllte sich dann aber mit nahender Anstoßzeit zügig. In der ganzen Umgebung der Anfield Road war so eine schöne Anspannung zu spüren. Heute ist es also wichtig, genau das war das Ziel!
Am Eingang haben wir uns dann getrennt. Helge und Mario hatten sich für die Kop Karten entschieden, Bernd und ich sind auf die Gegengerade gegangen. Wie ihr vermutlich mitbekommen habt bevorzuge ich es so dicht wie es geht am Spielfeldrand zu sein. Das war hier leider nicht gegeben, aber die Stimmung oben auf der Gegengeraden hatte es dennoch in sich.
Ich sage ja immer: gegen einen Topgegner geht nichts über die Stimmung an der Anfield Road! Das Stadion ist aus meiner Sicht sowieso das Schönste von allen, auch wenn ich da sicher nicht objektiv bin. Die mit um 40.000 Zuschauern perfekte Größe gepaart mit ganz viel Ursprünglichkeit. Kaum Logen, nahezu keine Werbebanden und keinerlei nutzlose Spielchen, bei der sich Zuschauer zum Affen machen um eine Kiste Bier des Hauptsponsors zu gewinnen. Die eigene Würde sollte einem eigentlich auch mehr als ne Kiste Bier wert sein, finde ich. Hey, die haben ja noch nicht mal eine richtige Anzeigentafel! Diese komische Leuchttafel in der Ecke, auf der man den Spielstand ablesen kann, wird wohl kaum als solche zu bezeichnen sein. Wenn man in Liverpool ein Heimspiel dieser Kategorie schaut, merkt man erst mal wieder wie wenig man so an Drumherum braucht, um einen riesigen, intensiven Abend zu haben. Oder wahlweise auch, wie viel Werbescheiße in deutschen Stadien noch so drumherum passiert, an die wir uns inzwischen gewöhnt haben! Wollen sie nicht mal ne Ecke oder einen schönen Einwurf sponsoren sag ich da nur… Mir geht das richtig auf den Zeiger und dann ist es geradezu wohltuend, wenn all das einfach mal komplett wegfällt. Zurück zu den Ursprüngen des Spiels, denn der Sport an sich hat mehr als genug zu bieten. Vielleicht kommt noch Dortmund mit aufgrund der schieren Größe des Stadions, aber in Liverpool ist halt das ganze Stadion in so einem Spiel da.
Und so war es dann auch! Sensationell! Hitzig, laut, geil. So muss Fußball live im Stadion sein!
Das Merseyside Derby ist ja keines dieser Hassderbys, das gilt es hier zu erwähnen. Obwohl die Vereine und ihre Stadien Luftlinie keinen Kilometer auseinander sind ist es ein sogenanntes Friendly Derby. Intensive Rivalität, gegenseitiges Kitzeln ja, aber kein Hass wie man vielleicht erwarten würde. Der FC Liverpool wurde seinerzeit ja auch aus dem FC Everton ausgegründet. Es war somit auch rund ums Stadion überhaupt nicht mit dem Spiel gegen Damn United zu vergleichen. Man sieht auch Auswärtsfans in Teamfarben. Das ist normalerweise in England bei Derbys doch sehr unüblich.
Überall auf der Welt wird You will never walk alone gesungen, aber nur in Liverpool und im Celtic Park hat es diese besondere Wucht, eben weil es alle singen. – Das ganze Lied, nicht nur den Refrain. 😉
Die Reds legten dann auch gleich los wie die Feuerwehr. Man merkte der Mannschaft das neu gewonnene Selbstbewusstsein dieser Saison von Minute 1 an. Nach ein paar nicht so dollen Jahren spielt die Truppe dieses Jahr endlich wieder aggressiven Angriffsfußball. Aus meiner Sicht ist das Duo Suarez und Sturridge aktuell auch die beste Offensive der Premier League. 2 unglaublich schnelle, technisch starke Stürmer. Ich bin nun wirklich nicht Fanclubvorsitzender von Luis Suarez, aber das ist wirklich ein sensationeller Stürmer! Live im Stadion kann man dann noch viel besser sehen, wie sehr der auch für die Mannschaft defensiv arbeitet. Der lässt den Innenverteidigern keine ruhige Minute, weil er ständig attackiert.
Es ging jedenfalls exzellent los. Voller Druck vom FC Liverpool. Everton war eigentlich in den ersten 25 Minuten gar nicht richtig im Spiel. The Captain himself, Steven Gerrard, hat die Reds dann nach 22 Minuten nach einer Ecke 1:0 in Führung gebracht. Ich weiß das deshalb noch so genau, weil Bernd und ich in England vor Spielen manchmal so kleine Spaßwettten abgeben. Tja und er hatte auf ein Tor innerhalb der ersten 21 Minuten getippt. Da vergisst man das Tor in der 22. irgendwie nicht…
Everton wurde in der Folge dann besser und hatte auch ein paar Chancen. Aber gerade in der Phase als sie sich immer weiter nach vorne orientiert haben, erlegte der FC Liverpool sie mit einem Doppelschlag. Erst spielte der Mann vom Zuckerhut den entsprechenden Zuckerpass: Coutinho schickte Sturridge und der verwandelte zum 2:0. Keine 2 Minuten später war es wieder Sturridge der mit einem genialen Lupfer das 3:0 besorgte. Da stand die Anfield Road natürlich Kopf! So einen Spielverlauf hatte echt niemand erwartet, wir natürlich auch nicht. Um so geiler das Erlebnis!
Nach der Pause zog sich Liverpool zurück und verlegte sich auf ihre große Stärke diese Saison: Schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinn und kontern über Suarez und Sturridge! Genau so ein Konter brachte dann nach 50 Minuten auch die endgültige Entscheidung. Ein Riesentor von Luis Suarez! Er nimmt sich an der Mittellinie den Ball und läuft über 50 Metern dem Toffee Innenverteidiger einfach weg. Das war ein wenig wie ein Rennen zwischen nem Käfer und nem Masserati. Mit Ball! Und am Ende hat er noch die Ruhe die Kugel am Keeper vorbei zu legen. Sensationell, 4:0!
Dabei blieb es letztendlich auch. Der FC Everton war damit aber durchaus noch sehr gut bedient. Liverpool hatte zahlreiche weitere Chancen, die sie entweder durch Unvermögen oder durch extreme Eigensinnigkeit von Sturridge vergeben haben. Sturridge hat damit auch ein wenig seine gute Leistung getrübt. Erst verballert er einen Elfer, den normalerweise ja Gerrard schießt und danach hätte er einfach quer spielen müssen, dann macht Suarez das 5:0.
Insgesamt war es aber eine riesige Leistung der Offensive der Reds. Wir waren somit Zeuge des höchsten Siegs im Derby seit ich glaube Anfang der 80er! Tja, gutes Timing ist bei diesen Sportreisen eben auch ein ganz wesentlicher Spaß-Faktor.
Abpfiff, 4:0 gewonnen, ein weiterer geiler Abend an der Anfield Road! Wir waren danach noch auf ein paar Pints im Sandon Pub neben dem Stadion. Unsere kleine Reisegruppe war natürlich happy, das versteht sich von selbst. Mit einem der letzten Taxis (Taxis sind da immer ein bisschen schwer zu bekommen) ging es ins Hotel zurück. Ein toller Tag nahm so sein geruhsames Ende.
Next Stop: White Hart Lane!
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