We are Tottenham from the Lane! Inter Mailand v Tottenham Hotspur 4:1
Fußball, Tottenham Hotspur, Uefa Pokal Add commentsHey, es war Resturlaub, was sollte ich denn machen? Der musste bis Ende März weg, ich konnte also quasi brasi gar nicht anders.
Das war jedenfalls die Ausgangslage und auch wenn es beim insgesamt ja durchaus gut gefüllten internationalen Spielplan nahezu unmöglich ist, zwischen März und Mai ein Wochenende zu finden, an dem kein interessantes Fußballspiel stattfindet. – Heike würde an dieser Stelle jetzt leicht genervt fragen: gibt es irgendeinen Tag an dem kein Fussball läuft? Meine Antwort im Normalfall: eigentlich jeden Tag in der Woche, aber zu den Zeiten arbeiten wir ja immer – ist es in diesem Fall tatsachlich mal so gewesen: interessante Spielpaarungen in den 2 relevanten Wochen waren komplett Fehlanzeig! Ich hatte auch keine gesteigerte Lust auf normale englische Premierleague in London und so ergab es sich, dass Freund Bernd und ich uns in die tiefen Abgründe der Losersleague, äh UEFA Europa League begeben haben.
Das Rückspiel der Tottenham Hotspur bei Inter Mailand war unser Ziel. Auf den zweiten Blick sprachen dann aber doch wieder sehr viele gute Gründe für den Trip. Zum einen haben wir beide eine große emotionale Nähe zu den Spurs, zum anderen war ich bisher noch nie im San Siro, geschweige denn überhaupt in einem italienischen Fußballstadion. Gut und abgesehen davon habe ich einfach ohne groß nachzudenken auf den link in der Ticketmail der Tottenham Hotspur geklickt und mich spontan für 2 Tickets beworben. Konnte ja niemand ahnen, dass ich die dann auch noch bekomme. 😉
Ok, vor Ort wurde mir dann doch sehr schnell klar, dass diese Tickets jetzt nicht in die Kategorie olympische Ticket Goldmedaille mit Sponsorenbunny Küsschen rechts, Küsschen links einzuordnen sind, aber dazu später mehr.
Stefan und Melanie hatten diesen Trip schon vor uns geplant und waren somit mit von der Partie. Das könnte eigentlich nur ein sehr lustiger Ausflug werden.
Wir sind entspannt Donnerstag von Bremen ins frühlingshafte Mailand geflogen und waren glücklicherweise auch so früh in der Stadt, dass vor dem Spiel noch etwas Zeit für ein wenig Sightseeing blieb. Mailand ist jetzt aus meiner Sicht kein absolutes touristisches Highlight, aber speziell der Dom ist schon wirklich sehenswert. Ich war allerdings vorher auch schon einmal in Mailand, wenn auch nicht im San Siro, ein Umstand der mich heute noch irritiert.
Am späten Nachmittag ging es dann raus in den Stadtteil San Siro. Dort steht eines der größten Stadien Europas, das San Siro oder Guiseppe Meazza wie es heute heißt, die Heimat der beiden Mailänder Vereine Inter und AC. Für einen deutschen Bayernfan wir mich ist das ja durchaus die Stätte bedeutender Spiele. Hier hat Matthäus 90 gegen Jugoslawien dieses überragende Solotor gemacht, hier wurde im Achtelfinale Holland geschlagen, hier haben wir 2001 die Champions League zum bisher letzten Mal gewonnen. Also insgesamt: ein in jeder Hinsicht großes Stadion!
Eigentlich war unser Plan mit der Metro in den Stadtteil zu fahren und dann das letzte Stück zu laufen. Das war jetzt aber leider nicht der Plan der italienischen Karabinieri, die doch leicht unentspannt waren. Wir kommen also aus der Metro und vor uns stehen bereits eine Reihe Carabinieri in komplett voller Montur. Und wir hatten noch nicht mal nen Schal um.
Stefan ging erst mal zum arschcoolen Oberkarabinieri (ich glaube ohne Sonnenbrille darf man bei der italienischen Polizei nicht anfangen) und hat so ein Polizei dein Freund und Helfer Gespräch begonnen. Das ging ungefähr so:
Stefan: brara brara zur Fuß brara brara zum Stadion brara brara Mailand so eine schöne Stadt balbla so ein sonniger Tag.
Ray Ban Carabinieri: You… in the Bus!
Stefan: aber brara brara lieber zur Fuß, ist doch brarara nicht weit, wir haben so viel Zeit blabbla und wir sind nur Touristen.
Ray Ban Carabinieri: You… in the Bus NOW!
An dieser Stelle hat Stefan dann die Unterhaltung abgebrochen. Man muss auch erkennen, wenn Argumente nicht ziehen. 😉
Wir sind also alle in diesen Derbyerprobten Shuttlebus geklettert. Da stellt man sich natürlich in einem vollvergitterten Bus kurz die Frage, ob die sich vor den englischen Fußballfans schützen wollen oder gegebenenfalls doch uns vor den eigenen… Es gibt schönere Situationen, aber es war im Nachhinein komplett harmlos und aus meiner Sicht auch echt überzogen. Aber Hey, das ist eben auch der Ruf, den sich englische Fußballfans im Ausland in jahrelanger, kleinteiliger PR Arbeit mühsam erworben haben.
Das ganze ging dann am Stadion aber leider so weiter. Ein riesiges Aufgebot an Ordnern und Polizei für gefühlt 5 Busse Tottenham Fans. Man wird da so in mehreren Sicherheitsstufen ins Stadion regelrecht reingeschleust. Ich verstehe das ja noch, wenn rund herum Tausende Heimfans kurz vorm Amoklauf sind, aber am San Siro war an diesem Tag echt Tote Hose. Da war gar nichts los, kaum ein Interfan weit und breit. Da hat dann der volle Maßnahmenkatalog für Auswärtsfans schon so was leicht makabres an sich.
Viel schlimmer allerdings: ist man dann mal im Stadion drin, ändert sich die Infrastruktur von wenig hinzu Null. Natürlich gibt es kein Bier, das war uns vorher klar, aber dass da nur noch ein lustiger Italiener mit Bauchladen rum rennt, der Cola und Cracker verkauft, fand ich dann doch überraschend skurril.
Es passt aber letztendlich ins gesamte Bild. Der italienische Fußball liegt ganz offensichtlich tot am Boden und kämpft mit zahlreichen Problemen. Das Stadion zum Beispiel ist wirklich uralt. Kein Wunder, wurde es schließlich bereits zur WM 90 gebaut und seitdem nicht mehr verändert. Ich denke es wurde noch nicht mal renoviert, auf geputzt würde ich auch kein Geld setzen. 😉
Hatte ich das Stadion von Man City schon als Parkaus bezeichnet, so muss man bei aller historischen Bedeutung des San Siro doch sagen, dass es echt die Mutter aller Parkhausstadien ist! Man wandert also gefühlte 400 Kurven in einem dieser Parkhaustürme nach oben in den Gästeblock und kommt da völlig erschöpft an. Das ist dann auch der Moment, wo der geschäftstüchtige Italiener seine Cracker an den Mann bringt. 😉
Der Gästeblock ist ansich eine recht trostlose Ecke. Man hat eine Plastikscheibe und ein riesiges Netz komplett vor sich und auch ansonsten ist der Block im Guiseppe Meazza baulich hart vom Rest des Stadions getrennt. Zuerst denkt man noch, ok, es ist ja nur der Gästeblock, da gibt man sich halt weniger Mühe. Bis Bernd den durchaus treffenden Gedanken einbrachte, dass die Fans von Inter und AC ja nicht auf derselben Seite stehen, dementsprechend es auf der anderen Seite nicht viel besser aussehen dürfte…
Normalerweise füllt sich dann das Stadion langsam und es geht los, aber in Mailand füllte sich zur unserer Überraschung gar nichts. Also mir war schon klar, dass es kein ausverkauftes Haus werden würde, aber so dermaßen leer hatte ich auch nicht gedacht. Den Oberrang haben sie gleich komplett gesperrt (außer für uns) und auch im restlichen weiten Rund verloren sich nur wenige Zuschauer. Günstige Tickets, Tottenham gegen Inter Mailand, Rückspiel im viertelfinale und die Hütte ist leer. Unglaublich!
Da sieht man erst mal wieder wie gut wir es in Deutschland in unseren Stadien haben! Das war eine ganz spannende und durchaus erdende Erfahrung.
Sportlich war unsere Erwartung nicht sehr hoch, da die Spurs das Hinspiel an der White Hart Lane sehr überlegen mit 3:0 gewonnen hatten. Da sollte eigentlich nichts mehr anbrennen und wir haben uns auf ein eher müdes Spiel eingerichtet. Nun ist es aber so, dass englische Vereine auswärts im Europapokal im Normalfall lange nicht so stark sind wie Zuhause und zudem erlebe ich auf solchen Trips eigentlich aus Prinzip keine langweiligen Spiele. Meistens passieren sensationelle Dinge und trotz der schwierigen Ausgangslage war es beim Spiel Inter Mailand gegen Tottenham Hotspur aber sowas von klasse, unglaublich!
Inter Mailand hatte sich nämlich offensichtlich vorgenommen die langsamen englischen Innenverteidiger mal etwas auf Trab zu bringen. Nach den ersten guten 5 Minuten von Tottenham spielte nur noch Inter Mailand! Fast folgerichtig gingen sie dann auch mit 1:0 in Führung. Als sie das dann noch vor der Pause auf 2:0 ausbauten, wirkte der Vorsprung der Spurs plötzlich gar nicht mehr so komfortabel.
In der zweiten Hälfte ging es genau so weiter. Die Spurs viel zu passiv und Inter spielfreudig, die Chance witternd. Tja und dann machen die doch echt noch das 3:0! Verlängerung! Ganz ehrlich, mit so einem intensiven, emotional aufregenden Spiel war nun wirklich nicht zu rechnen. Nach 3:0 im Hinspiel hatten wir da aber mal wieder das maximale Erlebnis gebucht! :),
In der Verlängerung kam Aaron Lennon und die Spurs bemühten sich endlich auch mal um etwas Offensive. So langsam wurde ihnen scheinbar bewusst, dass sie auch ein Tor schießen mussten, wenn sie nicht rausfliegen wollten. Hatte durchaus eine Weile gedauert, bis die Erkenntnis durchgesickert war, aber bekanntlich gilt besser spät als nie. 😉
Tatsächlich machte Adebayor dann in der ersten Hälfte der Verlängerung auch das 3:1 und erlöste damit die Anspannung der mitgereisten Fans ein gutes Stück. Dieser Zustand hielt dann allerdings ungefähr nur gefühlte 5 Minuten an, bevor sie Inter Mailand wieder einen aufgelegt hatten und das Spielchen mit dem Zittern von vorne begann. Die letzten 5 Minuten waren dann eine echte Schlacht, denn Inter warf alles nach vorne und hatte Chancen. Viele Chancen! Gute Chancen! klare Chancen! Tottenhams Abwehr schwamm wie der Phelps bei den olympischen Spielen, nur weniger meisterlich und souverän.
Am Ende haben sie dann aber dieses sensationelle 1:4 mit ganz viel Glück über die Zeit gerettet und waren doch noch eine Runde weiter.
Also ohne Quatsch: mehr geht bei der Ausgangslage vom Erlebnis aber echt nicht!
Die Italiener haben ihrer Enttäuschung übers Ausscheiden dann mit einer besonders langen Blocksperre Ausdruck verliehen. Normalerweise macht man das ja, damit die Heimfans nicht mit den Auswartsfans in zu enge Berührung kommen, was bei diesem Spiel natürlich sinnlos war, denn da waren ja schon während des Spiels weit und breit keine Heimfans zu sehen.
Insgesamt war das jedenfalls ein ganz lustiger Trip in den trostlosen und maroden Stimmungskeller des europäischen Vereinsfußball, aka Italien. Mit Tottenham fahren wir aber irgendwann mal wieder auswärts, das war eine gute Nummer.
So und von nun an gilt meine volle Aufmerksamkeit Bayern München und der Champions League!
May 3rd, 2013 at 6:29 pm
Viva Italia, ma sagen…
May 15th, 2013 at 8:41 am
Wie immer schöner Bericht, aber ich finde Mailand sehr wohl einen Trip wert. Die Stadt hat sehr schöne Ecken.
Und ich muss mal korrigieren. Holland war das Achtelfinale anno 90. Und der Loddar war damals ein Inter – Spieler…aber darfst als Bayer trotzdem stolz auf ihn sein.