Ok, eine Randsportart ist Eishockey insgesamt nun nicht gerade, aber hier in Deutschland kommen ja eigentlich alle Nicht-Fußball-Sportarten über diesen Status auch eher weniger hinaus. Von daher passt meine Kategorisierung also doch wieder. Eishockey sollte es sein, so stand es zur Abwechslung im Erlebniskalender geschrieben.
Was habe ich bitte mit Eishockey zu tun? Auf den ersten Blick erst mal überhaupt nichts, aber als bekennend gnadenlos Sportverrückter, kann man die Sportart ja nun auch nicht einfach ignorieren. Vor vielen Jahren war ich sogar tatsächlich ein großer Anhänger vom schnellen Sport auf Kufen und habe recht intensiv und ziemlich viel Eishockey geschaut. Das hat bei mir seine Wurzeln tief in den 80er Jahren, wer hätte das jetzt vermutet, bei deutschem Eishockey. Damals gab es über Jahre die große Rivalität zwischen den Kölner Haien und der Düsseldorfer EG. Udo Kießling galt meine Bewunderung, wem das heute noch was sagt. Ohne da jetzt bis ins allerletzte Detail gehen zu wollen: ich bin dann auch ziemlich schnell in der NHL und beim Canada Cup gelandet. Definitiv die besten Eishockeyspiele, die ich jemals gesehen habe! Team Canada mit Gretzky und Lemieux gegen die vermutlich beste erste Sturmreihe aller Zeiten, die der Russen! Igor Larionov, Sergey Makarov, Vladimir Krutov, eine grandiose Linie, das waren alles Riesen für mich! – und damals war es jetzt eher nicht so angesagt die Russen doll zu finden. 😉
Wie auch immer, ich habe in diesem Sport also eine gewisse leidenschaftliche Vorgeschichte. – Wie ich zudem gerade feststelle, ist es auch nicht so ganz einfach, von den Helden von damals den Übergang zu den Freezers zu bekommen, aber ich bemühe mich. 😉 Findige Marketingleute kamen dann ja Ende des letzten Jahrtausends auf die glorreiche Idee, den ganzen Sport in Deutschland mal ordentlich zu amerikanisieren. Dazu gehörte dann halt auch ein sich jahresweise munter wechselnder Spielerkader der einzelnen Teams, mit möglichst vielen mittelstarken Amis und Kanadiern, die es in der NHL nicht geschafft haben. Auf das die Identifikation der Fans mit den Mannschaften wachsen möge… Und dann noch diese lustigen neuen Namen…
Wer bitte nennt seinen Eishockeyclub eigentlich nach Eisschränken? Was ist denn das für eine Idee? Ist das in einer schnellen, eleganten Sportart schon ein Kompliment für die Spieler? Und überhaupt: In einem Land von Eistigern, Eisbären, Skorpionen und Haien… lösen da “Eisschränke” bei irgendeinem sowas wie Furcht und Respekt aus??? Da bibbert man doch maximal noch vor Kälte! Ich verstehe das ja nicht, aber Eisschränke auf Kufen sind einfach Quatsch.
Mich hatten sie mit diesen Entwicklungen als Fan dementsprechend abgehängt und ich habe den Sport in den letzten Jahren nur noch sehr sporadisch verfolgt.
Als sich jetzt neulich die spontane Gelegenheit ergab mal zu den Freezers zu gehen, war ich dennoch neugierig, wie das wohl aktuell live so sein würde und habe sie ergriffen. – Es hat dabei meiner Entscheidungsfindung allerdings auch überhaupt nicht geschadet, dass ich von Freund Olli zwei Logentickets geschenkt bekommen habe. 😉 Loge ist eigentlich beim Fußball so gar nicht meins, aber beim Eishockey fand ich es ne schöne Idee.
Ich bin also auf einen Dienstag Abend zusammen mit Heike zum Spiel der Hamburg Freezers gegen die Nürnberg Icetigers gegangen. Schön durch den VIP Eingang mit dem Fahrstuhl in die Loge und dort dann mit einer frischen Hopfenbowle erst mal genau die Lage sondiert.
Es gab mal Zeiten, da waren die Spiele der Freezers ausverkauft oder wenigstens nahezu ausverkauft. Die Zeiten sind allerdings viele Jahre her und im Moment sind sie vermutlich schon mit einen gut gefüllten Unterrang in der O2 Arena ziemlich happy. Genau der war auch anwesend: Ein halbvoller Unterrang. Allerdings gab es sogar überraschenderweise eine kleine Fanecke, in der 50 Unentwegte im Trikot standen und tatsächlich ein bisschen Krach gemacht haben. – Im Gegensatz zu den Handballern des HSV, die von ihrem von Lehrern durchtränkten Publikum solch proletische Verhaltensweisen natürlich nicht geboten bekommen. Da ist ja mehr 60 Minuten Spielanalyse und Manöverkritik angesagt. 😉
Nach dieser kleinen, aber selbstverständlich ungewollten, Spitze gegen unsere Pädagogen, zurück zu meinen Beobachtungen bei den Freezers. Wir saßen also so auf diesen wirklich bequemen Sesseln vor unserer Loge und beobachteten das Warmlaufen und danach die zugegebenermaßen gut gemachte Lightshow zum Einlauf der Mannschaften. Wichtig in so einer Loge ist es zu wissen, dass man sie definitiv nicht leer trinken kann. – Noch wichtiger ist allerdings, es dennoch unbedingt und mit vollstem Körpereinsatz zu probieren!
Das Spiel ging also los, die Freezersfans waren gerade so richtig schön dabei Radau zu machen, da schlug es nach gefühlten 30 Sekunden schon mal locker im obersten Kühlfach ein. Einer der defensiven Eisschränke hatte in der Rückwärtsbewegung tatsächlich eher die Wendigkeit einer Miele-Kiste auf dem Hermeslaster, schon war so ein fixer Eistiger an ihm vorbei und hatte eingenetzt. Natürlich haben wir das Tor erst gesehen, als die rote Leuchte hinter dem Tor anging. Das ist ja einer der elementaren Nachteile vom Eishockey: Man sieht halt leider das Spielgerät nicht, wenn sie aufs Tor schießen. Man stelle sich einen Fußball vor, der bei jedem Torschuss unsichtbar werden würde. Und ja, das reduziert den Spaß beim Zuseher durchaus. 😉 Ich muss aber schon sagen, dass man den Puck live in der Halle aus meiner Sicht dennoch besser sieht als am Fernsehen. Live ist somit auch hier wieder mal die bessere Wahl, wobei ich ja Zuhause natürlich auch keine Hostess mit Servierqualitäten habe. – Stimmt, “schade” ist hier das richtige Wort.
Es entwickelte sich jedenfalls nach diesem Schockfrosten der Eisschränke ein wirklich munteres, aus meiner Sicht auch gutes Spielchen. Zwischenzeitlich habe ich mich allerdings einige Male gefragt, wieso der Sport hier im Land offensichtlich doch recht körperlos interpretiert wird. Das fand ich seltsam, denn auf den kleineren Eisflächen der NHL nageln sie sich halt doch noch mal ganz anders an die Wand. Da wackelt die Halle zwischendurch eben auch mal. Irgendwie fehlte mir das ein bisschen, denn dieses physische Spiel zeichnet Eishockey ja auch aus. Ein Goon wie Dave Semenko hätte der Partie durchaus ein bisschen Würze verliehen, finde ich.
Wie ich dann im Laufe des ersten Drittels feststellen konnte, war mein Hockey Knowhow glücklicherweise auch noch nicht komplett in der Dunkelheit verschwunden und so hab ich die Zeit, in der die Eisschränke versucht haben bei den Tigern einen gepflegten Gefrierbrand auszulösen, genutzt und Heike ein paar der grundlegenden Regeln näher zu bringen. Sowas steigert ja auch den Spaß beim Zusehen. Ähnlich wie in der Sportart mit dem großen Ball, kann man auch beim Eishockey Frauen mit nichts so dermaßen langweilen, wie mit der Abseitsregel. Das hat auch an diesem Abend wieder erfolgreich geklappt.
Die Freezers wurden dann aber tatsächlich belohnt und konnten erst den Ausgleich und in der Folge dann auch die Führung erzielen. Nachdem wir in den Drittelpausen erst den Typen auf der Eismaschine angefeuert haben und irgendwann alle Keks-, Popcorn- und Nachoschalen in der Loge leergefuttert hatten, ging das letzte Drittel auch schon los. Das fand ich dann wirklich richtig gut, denn es ging plötzlich auch körperlich anders zu Sache. Es wurde mehr gecheckt und hinter dem Tor entbrannten harte Kämpfe um die kleine Hartgummischeibe.
Die Icetigers kamen zwar zum Ausgleich, aber kurz vor Ende führten die Freezers wieder mit einem Tor 3:2 und alles sah nach einem knappen, aber verdientem Sieg aus. In einem Akt der Verzweiflung haben die Tigers dann in der letzten Minute wie üblich den Goalie aus dem Kasten genommen (eine Handlung, die meine Frau doch leicht verwirrt hat) und doch tatsächlich ein paar Sekunden vor Schluss noch den Ausgleich erzielt!
Klasse, da bin ich einmal beim Eishockey und wir bekommen auch noch Overtime geboten! Sehr schön und die Hostess fing auch gleich mal richtig an zu schwitzen. Ich glaube die hat sich innerlich schon Bierkisten nach oben tragen gesehen. 😉
In der Overtime ging es weiter munter hin und her, bis die Hamburg Freezers ein sehr gutes Break zum Golden Goal verwerten und das Spiel somit gewinnen konnten.
Insgesamt war das also ein durchaus lustiger Abend mit gutem Livesport. Es wird jetzt nicht dazu führen mich in regelmäßigen Abständen in den Kühlschrank klettern zu lassen, aber zur Abwechslung kann man sich so ein Eishockeyspiel absolut mal geben. Das hat Spaß gemacht!
– Über die zwei peinlichen Moderatoren vom Alster Radio, die nach Abpfiff und Ehrenrunde die übrig gebliebenen 30 verwegenen Fans noch zu einem “wir wollen die Mannschaft sehen” animiert haben, breite ich mal besser den Mantel des Schweigens.
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