Rugby World Cup 2011: Final-ly! Semifinal New Zealand All Blacks v Australia
New Zealand All Blacks, Rugby, Rugby World Cup 2011 Add commentsEigentlich erzähle ich hier ja immer verhältnismäßig wenig über die Spiele selbst. Die meisten Geschichten drehen sich eher ums drumherum, um die Atmosphäre, einfach um das Erlebnis. Das ist durchaus bewusst so, denn Spielreportagen gibt es ja auch bereits auf den großen, offiziellen Sportseiten. – gut, wobei ich schon sagen muss, als ich den Vorbericht zum Rugby World Cup auf sport1 gelesen habe… Da bin ich schon zugegebenermaßen etwas blass geworden. Ich finde, wenn man sich selbst als sportjournalist bezeichnet, dann sollte man wenigstens ein Mindestmaß an Ahnung vom jeweiligen Sport haben, oder es einfach besser lassen. Der Vorbericht war jedenfalls so inkompetent schlecht, da muss jedem, der Rugby auch nur etwas verfolgt echt das Bier schal geworden sein.
Anyway, heute ändere ich das jedenfalls mal zur Abwechslung ein bisschen und werde primär nur über Rugby erzählen.
Vermutlich ist das für den einen oder anderen Anhänger des runden Balles eher langweilig, aber am besten ihr genießt die Auszeit in der ich euch nicht mit medium gebratenem Fußball-Happen auf den Keks gehe. Kommt so schnell nämlich nicht wieder!
Das zweite Halbfinale des Rugby World Cups 2011 hieß Neuseeland gegen Australien, oder auch the all Blacks against the Ozzies. Auf dem Papier ist das nicht nur ein Traum-semi, es ist auch die beste Mannschaft der Welt gegen die zweitbeste und noch viel wichtiger: eine der größten Rivalitäten im Rugby! Im Fußball vergleichbar mit einem Spiel zwischen Deutschland und Holland oder England. Großer Bruder gegen kleiner Bruder, wobei die Australier prinzipiell den kleinen Bruder belächeln, wenig ernst nehmen und konstant verbal kitzeln oder noch viel lieber an traumatische Rugby-Niederlagen aus der Vergangenheit erinnern.
Die All Blacks haben den Ruf immer zwischen den Turnieren ihren Peak zu haben und dann unter Druck zu versagen. Gleichzeitig hat Australien genau das gegenteilige Selbstbewusstsein: sie sind sehr, sehr gut unter Druck, das muss man neidlos anerkennen. Tja und dementsprechend haben die All Blacks Australien vor einem World Cup zwar schon einige Male regelrecht vom Feld geprügelt, aber sie in einem Turnier tatsächlich noch nie geschlagen. Neben den Franzosen ganz klar der (einzige) Angstgegner.
2003, als die All Blacks mal wieder in einem Semi als großer Favorit gegen Australien aus dem Turnier geflogen sind, ging der Kapitän der Wallabies George Gregan von Spieler zu Spieler Neuseelands und hat ihnen mehr als deutlich “Four more years, Boys!” zugerufen. Das hat sich hier bei den Leuten wahnsinnig traumatisch in den Köpfen verankert. Den Satz kennt jeder Kiwi, jeder. Da kann man sich ja in etwa vorstellen wie groß das Selbstvertrauen des Landes in der Woche vor dem Halbfinale so war: ich würde sagen ungefähr so groß wie das einer englischen Mannschaft kurz vorm Elfmeterschießen gegen uns.
Die Medien werden mit jedem Tag nervöser und beginnen bei kleinsten Anzeichen von Verletzungen direkt mit der großen Panikwelle. Total faszinierend und leider steckt das irgendwann auch an, wobei ich eigentlich vorher ein gutes Gefühl hatte.
In dieser Woche war es der Fuß von Richie McCaw, dem Kapitän der All Blacks. Er hat sich im Februar den Fuß gebrochen und die Verletzung ist leider nicht gut verheilt, was dazu führte, dass er in der Vorrunde 2 Spiele aussetzen musste und das ganze Turnier über kein einziges Mal mit der Mannschaft unter Last trainieren konnte. Im Prinzip spielt McCaw das Turnier auf einem Bein, wobei seine Leistungen trotzdem stark sind. Logischerweise eine total tolle Geschichte, um so richtig in Panik geraten und Mitte der Woche fingen alle Medien an zu suggerieren, dass er vermutlich gar nicht spielen könne. Der Panikzug fährt danach im ICE Tempo durch Neuseeland sozusagen. Ich habe keine Idee wie vielen Kiwis ich in der Woche gesagt habe, er wird in dem Spiel in jedem Fall auflaufen und wenn sie ihn aufs Feld tragen müssen.
Es war jedenfalls eindeutig das Rugbyspiel, auf das wirklich alle hier hingefiebert haben!
Ich war lange vor einem Spiel nicht mehr so nervös, geradezu ungesund nervös. Spiele auf diesem Level und von so hoher Wichtigkeit werden im Rugby nahezu immer in 3 Bereichen entschieden: Forward Pack, set pieces, also lineout und scrum und im Breakdown, also der Tacklesituation. Wer die physische Oberhand in diesen Bereichen behält, gewinnt das Spiel. Nicht die schnellen, flinken Backs entscheiden solche Spiele, die Forwards tun dies.
Den Loose Forwards (die Spieler mit den Nummern 6,7 und 8) kommt dabei die wichtigste Rolle zu, denn je besser die im Team arbeiten und je aggressiver sie zu Werke gehen, desto schnelleren Ballbesitz bekommen die eigenen Backs, um damit zu arbeiten und desto schwieriger hat es der gegnerische Angriff. Das Loose Forward Trio der All Blacks ist in normalform das beste der Welt. Der Blindsideflanker Jerome Kaino spielt ein unglaubliches Turnier, aber da McCaw halt angeschlagen war und Kieran Read erst zum Viertelfinale eine Verletzung überstanden hatte, gab es da schon ziemlich viel Unsicherheit.
Dementsprechend hatte ich einfach die ganz große Hpffnung, die All Blacks kommen aus der Kabine und smashen die Wallabies von Beginn an mit allem was sie haben!
Glücklicherweise haben sie mir diesen Wunsch erfüllt!
Ich denke die Australier wussten die ersten 30 Minuten nicht, was sie da so hart trifft, aber sie waren definitiv nicht ausreichend darauf vorbereitet. Eine ganz große erste Hälfte der All Blacks! Keine Fehler, taktisch sehr gut eingestellt und volle Kontrolle über den Breakdown. Das ganze gepaart mit einer Backline in Spiellaune. Eine der ersten Chancen nutze Neuseeland dann auch sofort zum Try. Top linebreak von Israel Dagg und kurz bevor er von der australischen Defense ins Seitenaus gedrängt werden konnte, hat er im Fallen einen tollen Pass zu Ma’a Nonu spielen können. Erster Try all Blacks! Bemerkenswert auch durchaus die Line, die Nonu im Support läuft und dadurch perfekt richtig für den Pass steht.
Wenn Piri Weepu nicht seine Kicking Boots teilweise in der Kabine gelassen hätte, wäre die Führung zur Halbzeit noch größer ausgefallen. Da haben nur die All Blacks gespielt! Für mich einer der entscheidenden Szenen des Spiels kam zügig nach dem Try: die Wallabies haben ihren ersten und einzigen richtig guten Spielzug durchgezogen und der Wing Ioane war durch. Er war schon an der 5 Meter Linie und hatte keine Verteidiger mehr vor sich. Normalerweise ist das bei einem Spieler, der über 100 kg wiegt und mit Schwung kommt ein sicherer Try. In diesem Fall war da aber noch Jerome Kaino. Er hat ihn von hinten gepackt und nicht nur gestoppt, sondern sogar noch umgedreht. Sowas habe ich echt noch nie gesehen und ich hab’s bis heute nicht verstanden wie er das gemacht hat. Für mich der Tackle des ganzen Turniers!
Nun gut, durch die ganzen fehlerhaften Kicks, war es eben zur Pause nach wie vor ein viel engeres Spiel, als es hätte sein müssen und noch lange nicht entschieden. Die Stimmung in der Halbzeit war aber dennoch ermutigend.
Die Australier kamen dann mit mehr Wille und Motivation aus der Kabine, aber die All Blacks haben sie nicht mehr zurück ins Spiel gelassen, weiterhin harte Defense gespielt und nach und nach Punkte auf der Anzeigentafel hinzu addiert. Für meinen Geschmack hätten sie ein paar mehr Strafkicks verwandeln können, dann wären die letzten 20 Minuten nervlich nicht so anstrengend gewesen, aber im Prinzip hätten die Ozzies an dem Tag schon ein spätes Wunder benötigt. Das ist hinterher aber immer leichter gesagt, als während des Spiels. Teilweise kann es im Rugby nämlich leider sehr schnell gehen. Nachdem das pack der All Blacks dann mit ein paar verbleibenden Minuten auf der Uhr jedoch in einem weiteren Scrum so viel Druck ausgeübt haben, unter dem die Frontline der Ozzies erneut zusammengebrochen ist und Weepu dann endlich mal einen Kick verwandeln konnte, war der Jubel grenzenlos.
Die Zuschauer haben den Moment genutzt und gesammelt hallte “Four more Years” durch den Eden Park. Das war ein ganz genüsslicher Moment für die Kiwis und naturlich auch alle Fans der All Blacks!
Ein nahezu perfektes Rugbyspiel von Neuseeland, mit allem was ich an Rugby so liebe! Das hat mich total gefreut, dass sie endlich mal gegen Australien eine große Partie abgeliefert haben und so ein Spiel für sich entscheiden konnten. Natürlich auch irgendwie eine riesige Erleichterung für mich, denn es bedeutete ja nichts anderes als, dass wir die All Blacks auch im Finale in Auckland sehen würden! Nach 16 Jahren erstmals wieder eine Finalteilnahme von Neuseeland und der Versuch den Rugby World Cup nach 24 Jahren endlich mal wieder zu gewinnen! Und wir sind dabei!!! :)))
Finale gegen Frankreich!
November 7th, 2011 at 4:14 am
“Wenn Piri Weepu nicht seine Kicking Boots teilweise in der Kabine gelassen hätte”
Da bin ich ja mal gespannt, was du über Weepus Kick-Künste im Finale schreibst 😉